Indigo - Das Erwachen
innere Verbindung zu seinem Geisterhund aufzubauen, aber Rayne besaà dieselbe Begabung in Bezug auf lebendige Menschen â und gerade wusste er dieses Talent nicht unbedingt zu schätzen.
Sie hatte ihm klargemacht, dass sie ahnte, dass er Mist erzählte, und jetzt wollte sie, dass sie ihm eine Antwort gab, die ihm eigentlich leicht hätte fallen sollen. In einem anderen Leben hätte er nicht mal gezögert.
Er hatte versprochen, ihr bei der Suche nach Lucas zu helfen. Konnte er sie jetzt belügen, auch wenn es zu ihrem eigenen Besten war? Ja, sie im Stich zu lassen würde ihr letztendlich nur helfen. Aber was war mit ihrem Bruder? Lucas hatte das eindeutige Gefühl, dass der Junge in echten Schwierigkeiten steckte. Geheimnisse zu haben und Dinge zu verschweigen war eine Sache. Aber Rayne ins Gesicht zu lügen, wenn sie ihn brauchte, fühlte sich echt beschissen an.
Wollte er wirklich âdieser Typâ sein, ein Lügner, dem alles egal war? Nein. Seine Antwort musste Nein lauten, wenn er sich nicht in ein völliges Arschloch verwandeln wollte.
âEs gibt ein paar Sachen, die du nicht über mich weiÃtâ, sagte er. âIch kann nicht riskieren, dass mich deine Schwester in Schwierigkeiten bringt. Falls sie das nicht schon längst getan hat.â
âWas? Aber â¦â
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen.
âTut mir leid. Aber ich muss vom Schlimmsten ausgehen. Wenn sie dich hier gefunden hat, ist sie uns möglicherweise seit dem Griffith Park gefolgt. Ich muss annehmen, dass mein Versteck aufgeflogen ist. Ich kann nicht mehr dorthin zurück.â
Rayne schwieg und sah elend aus. Er hatte keine Ahnung, was ihre Schwester ausrichten konnte, aber das spielte auch keine Rolle. Er musste auf Nummer sicher gehen.
âIch hab dich echt in Schwierigkeiten gebracht, oder?â
âDas ist nicht deine Schuld.â Er nahm ihre Hand. âVertraust du mir?â
Ein zögerliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, und sie nickte. Ein Funke Hoffnung war in ihre Augen zurückgekehrt, aber diesmal musste er ihr Vertrauen zurückgewinnen, indem er ihr zeigte, dass er es verdient hatte.
âGanz egal, was passiert, ganz egal, was du siehst. Mach dich bereit, von hier zu verschwinden, und bleib dicht bei mir.â
Als Gabe zum Informationstresen hinüberschaute, entdeckte er, dass Raynes Schwester direkt auf sie zukam. In ein paar Sekunden würde sie ihnen den Ausweg versperren. Wenn sie die Bücherregale absuchte, hatten sie keinen Ort mehr, an dem sie sich verstecken konnten. Was auch immer er vorhatte â er musste es jetzt tun.
Gabe lieà Rayne los und lenkte sie ab, indem er flüsterte: âSie kommt.â
Als sie sich umdrehte, um nach ihrer Schwester zu sehen, stand er auf und hastete geduckt in den nächsten Gang. Im Griffith Park hatte sie beobachten können, wie er sich verwandelte. Wie sich seine rasende Wut aufbaute und er in einen Rausch verfiel, sobald er sie freigab. Er hatte in Raynes Augen sehen können, wie groÃe Angst sie vor ihm gehabt hatte.
Jetzt, wo er die Wahl hatte, wollte er nicht, dass sie mit ansah, welches Grauen er heraufbeschwören musste, um seine Fähigkeiten nutzen zu können. Er schlich sich in die am weitesten entfernte Ecke des Raums und lieà seinen Rucksack neben seine FüÃe fallen. Dann schloss er die Augen und beugte die Arme, um den Zorn zu erwecken, der ihn antrieb. So schnell hatte er ihn noch nie herbeigerufen.
Sekunden . Er hatte nur Sekunden.
Als die Lichter zu flackern begannen und Rayne das Wackeln des Bodens unter ihren FüÃen spürte, schwappte eine vertraute Panikwelle durch sie hindurch. Ein Erdbeben . Das Timing von Mutter Natur war echt zum Kotzen. In L.A. kam es immer wieder zu Erschütterungen, Rayne hatte es schon oft genug erlebt. Sie suchte nach einem sicheren Ort, an dem sie sich verstecken konnte, und streckte die Hand nach Gabe aus, um ihn mit sich zu ziehen, doch er war fort.
Einfach verschwunden.
âGabriel?â, flüsterte sie, doch es kam keine Antwort.
Als sie sich umdrehte, entdeckte sie hinter sich ein heftiges, unruhiges Glühen. Die Speere aus blauem Licht blendeten sie fast und schossen wie eine Lasershow zwischen den Büchern hindurch. Doch als sie genauer hinsehen wollte, was dort vor sich ging, krachte ihr ein Buch auf die Schulter. Rayne zuckte zusammen, fluchte und hob schützend die Arme
Weitere Kostenlose Bücher