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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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schließlich in das Alter, aber ich denke mir, trotz allem, es wäre nicht fair, wenn ich es nicht versucht hätte, oder?
    – Ja, sagte ich.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprach.
    – Wissen Sie, er ist in letzter Zeit oft lang spazieren gegangen. Und dann habe ich mir immer gesagt, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche, dass es ihm gutgeht, wo immer er sich zurück ... wo immer er ist. Erhat die Natur sehr gern. Und die paar Besuche im Hallenbad damals, ich meine, gut, das war wahrscheinlich einfach eine Art Rückzug. Ich langweile Sie hoffentlich nicht, Herr Setz?
    – Wie? Ich hab nur ...
    Ich plätscherte ein wenig in meinem Badewasser.
    – Na, ich will Sie auf keinen Fall langweilen, Herr Setz, das Letzte, was ich will, wäre, Ihnen Ihre kostbare Zeit zu stehlen, die Sie bestimmt brauchen für ... fürs Schreiben und Recherchieren und was immer Sie tun, wenn Sie Ihren nächsten Artikel – 
    – Sagen Sie, darf ich Sie etwas fragen?
    – Bitte.
    – Es ist mir ein bisschen unangenehm, dass ich ausge-rechnet Sie ... ich meine, das soll jetzt nicht beleidigend klingen, aber ... Kennen Sie zufällig ein gutes Mittel gegen Kopfschmerzen? Ich meine, Sie müssten ja …
    – Erfahrung damit haben?
    – Ach, das ist wirklich dumm, entschuldigen Sie.
    – Nein, Herr Setz, gar nicht. Ist gar nicht dumm. Ich hab tatsächlich schon einiges ausprobiert. Welche Art von Kopfschmerz ist es denn? Mit Schwindel?
    – Ja. Ein bisschen.
    – Und wie ist der Schwindel? Mehr drehend oder einfach nur ein Gefühl von fehlender Orientierung ... oder sitzt der Schwindel tiefer, weniger im Gleichgewichtssinn, sondern sozusagen im Kern. Sie wissen bestimmt, was ich meine.
    – Eher das erste.
    – Einfach nur Drehung?
    – Ja, wenn ich mich zurücklehne. Und dazu diese rasenden Kopfschmerzen.
    – Und Sie sind allein?
    Eine Pause entstand. Sie hatte diese Frage nicht andersbetont als alle anderen. Sachlich interessiert. Eine Frau, die wusste, wovon sie sprach.
    – Also da gegen, Herr Setz ... Nun ja, da gegen ... gibt es nichts. Nichts, was mir auf die Schnelle einfallen würde. Außer Schmerzmittel. Massenweise Schmerzmittel. Aber davon gehen die Symptome meist nicht weg.
    – Okay, sagte ich.
    – Massenweise Schmerzmittel. Eins über dem anderen, zu einer Pyramide gestapelt. Aber achten Sie auf ausreichend Abstand zwischen den einzelnen Tabletten. Sonst könnte es zu einem Missverständnis in Ihrem Körper kommen.
    – Danke. Ich werde versuchen – 
    – Mir fällt noch etwas ein. Ein Ortswechsel, vielleicht? Das tut auch manchmal gut. Fahren Sie in den Norden. Da sind die Nächte angenehmer. Ich kann das leider nicht. Ich muss immer hierbleiben.
    – Residenz Verlag, sagte ich leise.
    – Wie bitte?, fragte Frau Stennitzer.
    – Ich hab gesagt, Re... Ach, bitte entschuldigen Sie, mir ist nur gerade etwas durch den Kopf gegangen. Ein kleines Störsignal sozusagen, eine Interf... äh, Sie verstehen bestimmt, was ich ...
    – Ja, Sie machen einen verwirrten Eindruck, Herr Setz, sagte sie und legte grußlos auf.

10  Eine eigentümliche
Einrichtung
    Robert hatte das Gefühl, dickflüssigen Sirup durch die Augen getrunken zu haben. Um sich abzukühlen, starrte er auf einen ungefährlichen Fleck an der Wand. Ein Mal, das nichts mit ihm und dem Rest der Menschenwelt zu tun hatte.
    Er hatte den Inhalt der Mappen fast komplett durchgelesen.
    Magda T., friedliche Anwendung von Indigo-Potenzial, Oliver Baumherr, Ferenc.
    Selbst wenn er die Augen schloss, standen die Begriffe vor ihm – derselbe Effekt, der sich einstellte, wenn man vor dem prächtigen leeren iSocket in der Annenstraße stand, mitten in der Nacht, wenn oben im Himmel nur wenige Sterne und unten auf der Erde nur wenige Lichter unterwegs waren.
    Das Telefonbuch schien angenehm überrascht, dass er es, nach so vielen Jahren totaler Missachtung, innerhalb weniger Tage ein zweites Mal konsultierte. Es zirpte leise und kontinuierlich, während er den Namen suchte.
    Hofrat Prim. Univ-Prof. Dr. Otto Rudolph.
    Robert musste lachen. Er stellte sich vor, die über den Namen des Mannes hinausragenden Titel abzubeißen wie eine überstehende Zellophanhülle. Wie bei einer Zuckerstange, die man aus der Verpackung nimmt und wegknabbert bis auf einen kleinen Stummel, und den Stummel legt man dann zurück in die Hülle. Oder wie eine viel zu lange Vorhaut.
    Robert schlug mit der Faust auf den Boden. Das Telefonbuch zirpte

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