Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
Vom Netzwerk:
was er normalerweise nicht konnte. Und dann gelang es ihr, und sie spürte die Anspannung in seiner Schultermuskulatur.
    – Gillingen, flüsterte sie.
    Es war ein Wort, mit dem sie ihn kitzeln konnte.
    – Die weltberühmte Seilbahn …
    Sie fühlte das sanfte Erzittern seines Körpers in ihr, die Reaktion auf das intime Wort. Und dann holten sie Roberts kleinen rautenförmigen Computer ins Bett und schauten sich alberne Filme an, während sie sich weiter liebten. Draußen regnete es, der erste richtige Spätherbstregen, der schon das Schneelicht in der Stadt entstehen ließ, keine Blitze und keinen Donner mehr mitbrachte, dafür stundenlanges, gefrierendes Nieseln, das sich mit heftigem Sturmwind abwechselte, in dem dicke Regentropfen wie von der Schnur gerutschte Perlen umherflogen. In den letzten Wochen hatte sich der Umschwung angekündigt: kühle, lange Abende, nassgetretenes und wie Marmelade über die Gehsteige geschmiertes Laubbraun. Der Oktober an der Schwelle zum November.
    Was konnte man sonst tun in dieser Zeit, dachte Cordula, als sich ineinander zu verstecken. Sie drückte ihre Lippen auf Roberts Brust und ließ sie dort, den beschleunigten Herzschlag fühlend.
    Bukkake charakterisiert wurden. In ihnen sah man immer dasselbe: eine nackte, auf dem Boden kniende Frau. Und rund um sie standen (bis auf ihre ulkigen Turnschuhe) ebenfalls vollkommen nackte Männer und ejakulierten abwechselnd in ihr Gesicht. Da dieser Vorgang ziemlich statisch war und außer der Absonderung von Samenflüssigkeit nicht viel passierte, fand Robert sie angenehm. Cordula amüsierte sich über sie, konnte sie aber nicht wirklich genießen. Allerdings durfte auch Robert diese Videos nicht allzu lange anschauen, denn nach vier oder fünf Ladungen sah das Gesicht der Frau jedes Mal aus wie das schmelzende Gesicht des Nazis inAuch auf den Internet-Pornoseiten, die sie gemeinsam anschauten, war es Herbst geworden. Vorherrschend waren Kategorien wie Mature, MILFS und ein paar sehnsüchtig sonnendurchstrahlte Outdoor-Szenen. Die Chatrooms waren verlassen, mit Brettern verbarrikadiert wie Eisbuden und Pavillons im Park. Die Pop-ups auf den Gratis-Tubeseiten, die sonst mit hysterischer Inbrunst zu gebührenpflichtigen Livecams lockten, vor denen nackte Mädchen mit unsichtbaren Phantomen sprachen, wiesen jetzt auf Links, die so tot waren wie eine Skaterhalfpipe im Winter: eine schneeweiße Sackgasse, eine leere Buchseite. Die Kommentare wurden einsilbig, die Dauer der automatisch von der Webseite vorgeschlagenen Clips länger – größere Ablenkung, wärmere Plätze, in denen man sich verkriechen konnte, wenn es draußen kalt war. (Selbst durch das Google-Logo auf Roberts Startseite wehten ein paar animierte mauscursorgroße Blätter.) Am angenehmsten waren Robert die Clips, in denen nicht viel passierte. Wo zwei Menschen einfach nur übereinanderlagen und sich ein wenig hin und her bewegten. Alles andere brachte ihn durcheinander oder machte ihn so nervös, dass seine Erregung verschwand. Neu in der Liste seiner Entdeckungen waren jene Videos, die mit dem seltsamen Wort Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes. Der Effekt wurde noch dadurch verstärkt, dass die Frauen in den Videoclips meist den Mund kükenhaft weit aufrissen (was wahrscheinlich erotisch wirken sollte), genauso wie der brüllende Nazies tut, wenn er von der Feuersäule getroffen wird, die aus der Bundeslade schießt. Wenn die Bukkake-Szene diesen Punkt erreichte, war der Anblick nur noch grauenvoll, und die Verzweiflung, die in der kühlen Jahreszeit hing, kehrte mit voller Wucht zu ihm zurück.
    Cordula fragte ihn, ob er etwas anderes anschauen wolle. Sie lag auf dem Bauch, er hinter ihr, also musste sie das neue Stichwort eingeben.
    – Gib ein, keuchte Robert. Gib ein … Ah, warte, ich glaube …
    – Du bist schon so weit?
    – Ah, warte …
    Er wurde langsamer, ließ seinen Kopf auf ihren sinken.
    – Denk an etwas Neutrales, sagte Cordula. Und einfach tief durchatmen.
    – Okay.
    – An was denkst du?
    – Warum willst du das wissen?, fragte er.
    – Nur so.
    – Ich denke daran, wie es sich wohl anfühlt, freigesprochen zu werden, obwohl man schuldig ist.
    – Ach nein, Robert, nicht schon wieder …
    – Du wolltest wissen, woran ich denke!
    – Ja, aber … Warum denkst du ausgerechnet an das, während wir …
    – Keine Ahnung. Jetzt denkst du auch daran.
    – Ja, aber das ist jetzt deine Schuld. Ich wäre nicht von selbst

Weitere Kostenlose Bücher