Indigosommer
meine Siebensachen zusammengepackt und wäre für den Rest der Woche in Conrads Zimmer gezogen. Aber so verlockend dieser Gedanke auch war, es war unmöglich. Schließlich wollte ich das kommende Jahr bei den Turners wohnen und deshalb durfte ich es mir nicht gänzlich mit Alec und Janice verderben. Ich musste in den sauren Apfel beißen und ins Camp zurückkehren.
Conrad bot mir an, von seinem Telefon zu Hause zu telefonieren, aber ich hatte eine Telefonkarte und wollte das öffentliche Telefon am Supermarkt benutzen. Er begleitete mich noch bis dorthin und machte keine Anstalten, sich zu verabschieden.
»Wo und wann treffen wir uns?«, fragte ich zaghaft.
Conrad deutete auf das Telefon. »Ich würde gerne zuhören, wenn du deine Eltern anrufst.«
»Was?«
»Ich verstehe ja nichts«, meinte er verlegen. »Ich will nur hören, wie du deutsch sprichst.«
»Na gut«, sagte ich und begann, die Nummer auf der Telefon karte einzutippen, immer noch etwas verwundert über Conrads Bitte.
In diesem Moment kamen Janice und Laura mit vollen Einkaufstüten um die Ecke und entdeckten uns. Ich hängte den Hörer wieder ein.
»Hi, Smilla«, sagte Janice und warf Conrad ein charmantes Lächeln zu. »Hi, Conrad.«
Laura sagte: »Hi, ihr beiden.«
Conrad nickte den Mädchen mit verschlossener Miene zu.
Janice stellte ihre Tüten ab und überrumpelte mich mit einer Umarmung. »Happy Birthday, Smilla«, sagte sie. »Ich bin so froh, dass du okay bist. Es tut uns allen leid, dass wir gestern so bescheuert waren. Als du weg warst, hat Mark Josh mächtig die Leviten gelesen und siehe da, er hat sich wieder eingekriegt. Es tut ihm leid. Du hast ihm zwar das Herz gebrochen, aber er wird es überleben. Er war betrunken und wusste nicht mehr, was er sagt.«
Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Janice hatte sich tatsächlich an meinen Geburtstag erinnert. Und jetzt tänzelte sie vor diesen Tüten herum, damit ich nicht hineinsehen konnte.
Janice lachte, als sie mein verdutztes Gesicht sah. »Zugegeben, ich hätte deinen Geburtstag vergessen. Aber ich habe gestern Abend noch mit Mom telefoniert. Deine Eltern haben dir ein Päckchen geschickt. Mom und Dad gratulieren dir auch.«
»Danke«, sagte ich.
Janice war total aufgekratzt. »Wir wollen zur Feier des Tages heute Abend in Forks zum Essen gehen und danach am Strand noch ein bisschen feiern.« Sie warf einen Blick auf Conrad. »Dein Freund ist natürlich auch eingeladen.«
Conrad verzog das Gesicht, als hätte er auf etwas Fauliges gebissen, und beinahe musste ich lachen. Aber noch war ich misstrauisch. Sollten alle plötzlich wieder normal geworden sein, nur weil Mark ihnen die Leviten gelesen hatte? Ich rechnete jeden Moment damit, dass aus einer von Janice’ Tüten ein böser Clown sprang und schrie: »April, April.«
»Na, was sagst du?«, fragte Janice und strahlte mich an.
Mein Blick wanderte zu Conrad. Er zuckte mit den Achseln. Mit Sicherheit hatte er sich den Abend anders vorgestellt. Ich auch. Aber es galt nun mal, gewisse Regeln einzuhalten, das hatte ich ja inzwischen gelernt. Die Clique hatte mir ein Friedensangebot gemacht, also versuchte ich, wenigstens ein bisschen freudig auszusehen.
»Okay«, sagte ich. »Ich muss noch meine Eltern anrufen, dann komme ich ins Camp.«
»Fein«, sagte Janice. »Dann bis gleich.«
Janice und Laura verschwanden mit ihren Einkaufstüten.
»Scheint ja wieder alles okay zu sein«, sagte Conrad mit leicht säuerlicher Miene.
»Keine Ahnung. Ich traue dem Frieden nicht. Wo ist der Haken?«
»Vielleicht gibt es keinen. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, wie sie es gesagt hat. Sie haben sich wieder eingekriegt. Soll vorkommen. Entspann dich einfach. Sie wollen deinen Geburtstag feiern.«
»Ja, leider. Ich habe mich so drauf gefreut, mit dir zusammen zu sein.«
»Hey«, sagte er und rang sich ein Lächeln ab. »Ich bin auch eingeladen. Schon vergessen?«
Ich dachte daran, wie Josh und Conrad sich aufgeführt hatten, als er das letzte Mal im Camp aufgetaucht war, und war nicht sonderlich erpicht darauf, dass sich das wiederholte.
»Geh zu ihnen«, sagte Conrad, »das ist schon in Ordnung. Ich habe Milo gestern versprochen, ihm und seinem Vater heute Nachmittag auf dem Fischkutter zu helfen.«
Ich wusste, er sagte nicht die Wahrheit, aber nur, weil er es mir einfacher machen wollte. »Na gut«, sagte ich, »dann rufe ich jetzt meine Eltern an.«
»Grüß schön«, meinte er.
»Was?«
Conrad seufzte
Weitere Kostenlose Bücher