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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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darauf aus, mich zu beschimpfen. Zumindest, so lange Conrad nicht auftauchte und sie mit seiner Überlegenheit provozierte.
    Ich gab mir einen Ruck und wischte meine dunklen Ahnungen beiseite. Abgesehen von Mark, der den Van fuhr, hatten alle mächtig getrunken und auf dem Weg vom Parkplatz zum Camp hallte weinseliges Gekicher über den Strand. Laura und Josh hatten jeder die Arme über die Schulter des anderen gelegt und sangen lauthals Sweet little sixteen . Lachend und strauchelnd landeten wir wieder bei unseren Zelten. Ein paar Minuten später brannte das Feuer, und als ob wir alle noch nicht genug gehabt hätten, machte eine neue Flasche Jim Beam die Runde. Josh schien einen unerschöpflichen Vorrat davon in seinem Zelt zu haben.
    Ich saß neben ihm. Eigentlich hatte ich das vermeiden wollen, aber es hatte sich so ergeben und ich wollte ihn nicht wieder gegen mich aufbringen, indem ich mich demonstrativ wegsetzte. Er prostete mir mit der Whiskeyflasche zu. »Auf dich, Smilla!«, nuschelte er. »Du bist echt was Besonderes.«
    Keine Ahnung, wie er das meinte, zynisch oder ehrlich. Er war betrunken, also versuchte ich, ihn zu ignorieren. Ich war nervös. Inzwischen war es nach zehn und ich fragte mich, wann Conrad auftauchen würde. Immer wieder hob ich den Kopf und lauschte, obwohl ich wusste, dass ich ihn sowieso nicht kommen hören würde. Die anderen waren zu laut und außerdem hatte Mark begonnen, mir auf seiner Mundharmonika ein Ständchen nach dem anderen zu spielen.
    Plötzlich begann Josh zu lachen, als hätte er einen guten Witz gehört. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte, als hätte er einen Anfall. Tränen kamen und liefen ihm über die Wangen. Ich sah ihn erschrocken an, jederzeit darauf gefasst, dass er wieder anfangen würde, auf mir herumzuhacken und mich zu beleidigen. Doch dann stellte ich erleichtert fest, dass der Alkohol Josh diesmal nicht angriffslustig und ausfällig werden ließ, sondern anhänglich und zahm.
    Er legte den Arm um meine Hüfte. Ich versteifte mich unwillkürlich, traute mich aber nicht, seine Hand abzustreifen. Hin und wieder neigte er den Kopf, so als wollte er ihn auf meiner Schulter betten, aber ich konnte jedes Mal ausweichen, ohne dass es ihm oder den anderen auffiel.
    Conrad, dachte ich verzweifelt. Wo bist du?
    Alec erzählte gerade die Story, wie er als Vierzehnjähriger in einem See in den Everglades mit einem Krokodil geschwommen war, ohne es zu merken, und Janice am Ufer bald gestor ben war vor Angst. Ich kannte die Geschichte schon, aber die anderen amüsierten sich köstlich.
    Brandee wirkte nervös. Schon beim Italiener war mir aufgefallen, dass sie schlecht aussah, aber nun wurde sie immer unruhiger. Sie rieb sich die Hände, als würde etwas Ekliges an ihren Handflächen kleben, und wenn der Jim Beam zu ihr kam, trank sie jedes Mal einen ordentlichen Schluck. Auf einmal wurde sie albern und kicherte grundlos herum. Ab und zu sah sie auf ihre Uhr. Das kam mir merkwürdig vor, aber da ich selber immer wieder auf die Uhr sah, dachte ich nicht weiter darüber nach.
    Irgendwann flüsterte Brandee Alec etwas ins Ohr. Danach stand sie auf und schlug den Weg zur Toilette ein.
    Ein paar Minuten später sagte ich leise zu Janice: »Ich muss auch mal für kleine Mädchen.«
    Josh hatte seinen Kopf inzwischen auf Lauras Schulter gelegt und ich löste vorsichtig seinen Arm von meiner Hüfte. Ich musste wirklich mal, das war nicht gelogen, aber ich hegte auch die große Hoffnung, dass Conrad irgendwo in der Nähe sein würde und auf eine Gelegenheit wartete, mich allein zu sehen. Vielleicht war ihm klar geworden, dass es keine gute Idee war, zu uns ans Feuer zu kommen, so betrunken, wie alle waren.
    Auf dem Weg zu den Toiletten erschrak ich fast zu Tode, als plötzlich ein Wolf vor mir stand.
    Rowdy oder Boone, fragte ich mich und spürte, wie ich am ganzen Leib zu zittern begann. Aber ich begriff schnell, dass es Boone sein musste, denn sein wütender Bruder hätte mir längst die Zähne gezeigt.
    »Hey Boone«, sagte ich, und leuchtete den Hund mit der Taschenlampe an. »Wo ist Conrad?«
    Ich hoffte, er würde jeden Moment aus dem Dunkel hervortre ten und mich in seine Arme nehmen. Aber auch als ich ihn leise rief, tauchte er nicht auf. Boone winselte und stromerte in Richtung Parkplatz davon. Ich folgte ihm, in der Hoffnung, dass er mich vielleicht zu Conrad führen würde. Doch als ich auf dem Parkplatz stand, konnte ich den Wolfshund nirgendwo mehr

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