Indigosommer
»Ohne Scheiß, ich blute. Der Bastard hat mir die Nase gebrochen.« Er rappelte sich auf und stürzte sich mit wütendem Gebrüll auf Conrad. Einen Augenblick später sah ich nur noch ein Knäuel aus Armen und Beinen im Sand rollen.
»Aufhören!«, schrie ich.
Sie krachten gegen einen Berg Treibholz. Ich hoffte inständig, dass das Knacken von einem Ast kam und nicht von einem Knochen. Die beiden ächzten und knurrten wie Tiere. »Aufhören, aufhören, aufhören«, rief ich wütend und warf mit einer Handvoll Sand nach ihnen.
Obwohl Josh größer und kräftiger war, war es am Ende Conrad, der seinen Widersacher mit dem Gesicht in den Sand drückte, sodass er keine Luft mehr bekam.
»Lass ihn los!«, schrie ich und riss Conrad an der Schulter. »Willst du ihn umbringen?«
Conrad stand auf und sah mich an. Im Licht des Mondes bemerkte ich, dass er im Gesicht blutete. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber er wich vor mir zurück, als wüsste er auf einmal nicht mehr, wer ich war.
Josh hustete und krümmte sich im Sand. Ich kniete mich ne ben ihn und leuchtete ihm mit meiner kleinen Taschenlampe ins Gesicht. Aus seiner Nase lief Blut und sein Gesicht war voller Sand, mehr schien ihm nicht zu fehlen. Ich fischte ein Papiertaschentuch aus meiner Jeans und gab es ihm, damit er die Blutung stoppen konnte. Sein schickes Leinenhemd war voller Blutflecken.
»Bist du okay?«, fragte ich ihn.
Josh knurrte nur.
»Dem fehlt schon nichts, abgesehen von ein bisschen Hirn«, sagte Conrad abfällig.
»War das wirklich notwendig?«
»Der Typ wollte dir an die Wäsche, verdammt. Und das schon den ganzen Abend!«
Conrad hatte also alles gesehen und gehört. Aber er war nicht zu mir gekommen. »Er ist betrunken.«
»Das ist er doch immer. Er ist ein mieses Arschloch, Smilla. Du hast gehört, was er gesagt hat. Warum verteidigst du ihn auch noch?«
Josh versuchte, sich an mir hochzuziehen. Ich richtete mich auf und half ihm. Als er schwankend stand, sagte ich zu Conrad: »Ich bringe ihn jetzt zurück ins Camp. Alleine schafft er das nicht.« Ich legte Joshs Arm um meine Schulter. Er grinste blöde in Conrads Richtung und stützte sich schwer auf mich. So wankten wir davon.
»Smilla«, hörte ich Conrad sagen, »geh jetzt nicht weg, okay?« Noch lange spürte ich seinen Blick in meinem Rücken.
Als wir das Camp erreichten, schien Josh wieder halbwegs nüchtern zu sein und konnte ohne meine Hilfe laufen. Im Flussdelta hatte er sich das Gesicht gewaschen und sah bis auf eine Schramme auf der rechten Wange ganz manierlich aus.
Wir hatten kein einziges Wort miteinander gewechselt. Ich hatte mir vorgenommen abzuwarten, wie Josh sich verhalten würde, wenn wir im Camp waren. Wenn er den Mund hielt, würde auch ich schweigen. Ich war nicht wild darauf, ihn bloßzustellen. Am liebsten hätte ich das Ganze einfach vergessen.
Schon von Weitem sah ich Brandees vom Feuer beleuchtete Gestalt in der Nacht. Sie tanzte. Sie tanzte einen wilden, aufregenden Tanz und das war der Grund dafür, dass die anderen Josh und mir nur wenig Beachtung schenkten, als wir die Runde am Feuer betraten.
»Du blutest«, sagte Laura, als Josh sich neben sie setzte. »Dein Hemd hat auch was abgekriegt.« Er hatte wieder Nasenbluten und sie organisierte ihm ein Papiertaschentuch.
»Er ist auf einem Treibholzstamm ausgerutscht und hat sich die Nase blutig geschlagen«, sagte ich.
Joshs Blick streifte mich kurz, aber er sagte nichts. Seine Aufmerksamkeit galt Brandee, die sich in den Hüften wiegte wie eine indische Göttin. Nur viel schneller. Fast sah es so aus, als ob sie mehrere Arme hätte. Die Flammen warfen Schatten auf ihr Gesicht mit den schwarz umrandeten Augen, ihre seidigen Haare flogen, wenn sie sich drehte. Manchmal hielt sie die Hände hoch über den Kopf wie eine Ballerina, dann konnte man ihren schimmernden Bauch sehen. Ich hatte sie noch nie so erlebt, so frei. Was immer sie gut kauen sollte, sie hatte es getan. Brandee flog. Fasziniert sah ich ihr zu und fragte mich, wo sie gerade war auf ihrer Reise.
Die anderen schienen nicht so recht zu wissen, was sie von Brandees Vorführung halten sollten, doch eine Zeit lang klatschten sie zu ihrem ekstatischen Tanz. Offenbar hatten alle ziemlich viel getrunken, denn die Whiskeyflasche war fast leer. Brandees Tanz nahm mich gefangen, doch gleichzeitig versuchte mein Blick immer wieder, das Dunkel hinter dem Feuer zu durchdringen. Schon seit ein paar Minuten hatte ich das
merkwürdige Gefühl
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