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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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egal, wo.
    »Was war los letzte Nacht?«, fragte sie. »Wie konnte das passieren?«
    Alec hob den Kopf und sah uns nacheinander an. Dann brach der Schmerz aus ihm heraus: »Ich weiß es nicht, verdammt noch mal«, schrie er. »Wir hätten einfach nicht zurückkommen dürfen, da war die ganze Scheiße doch vorprogrammiert.«
    »Und warum habt ihr es dann getan?«, fragte ich.
    Alec warf mir einen bitteren Blick zu. Sein Körper bebte, aber er schwieg.
    »Es war meine Idee«, sagte Mark leise. »La Push war einfach der beste Ort, wo wir mit unseren Brettern in Ruhe unser Ding abziehen konnten.«
    »Und Justin?«, fragte ich. »Habt ihr Conrads toten Bruder einfach vergessen? Habt ihr einen Pakt des Schweigens geschlossen? Oder warum hat nicht einer von euch erzählt, was letzten Sommer passiert ist?«
    Janice und Laura sahen erst mich und dann Alec und Mark fragend an.
    Alec hob die Schultern. »Wir haben euch nichts davon erzählt, weil wir dachten, es ist besser so. Es war ein Unfall und es hätte euch die Freude am Surfen verdorben, wenn ihr gewusst hättet, dass an diesem Strand jemand gestorben ist.«
    Es hätte uns die Freude am Surfen verdorben? Das war alles? »Hattet ihr überhaupt keine Skrupel, kein schlechtes Gewissen, wieder hierherzukommen?«
    Nun sahen mich alle verständnislos an.
    »Warum hätten wir ein schlechtes Gewissen haben sollen?«, fragte Mark.
    »Na, weil ihr irgendwie auch schuldig wart am Tod von Conrads Bruder.« Im selben Augenblick, als die Worte meinen Mund verlassen hatten, bereute ich sie. Doch der Schaden war schon angerichtet.
    Alec runzelte verwirrt die Stirn. »Hat er dir das erzählt?«
    Mark musterte mich nur fragend.
    »Conrad sagt, Josh hätte seinen Bruder einen Schlappschwanz genannt. Nur deshalb wäre er ins Meer gegangen, um diese Monsterwelle zu reiten.«
    Mark schien in Gedanken wegzudriften, und als er wieder in der Gegenwart angekommen war, klang seine Stimme entsetzlich müde: »Das ist nicht wahr, Smilla. Josh hat von sich selbst gesprochen.«
    »Was?« Entgeistert sah ich ihn an.
    »Josh hat gesagt, angesichts des Sturmes und der unberechenbaren Wellen würde er sich entscheiden, lieber ein Schlappschwanz zu sein, als da rauszuschwimmen.« Mark blickte auf den Ozean, der jetzt blau und friedlich war. »Justin war ein begnadeter Surfer. Er hätte es weit bringen können. Diesen Sommer wollte er in Maverick dabei sein. Der verdammte Idiot hat sein Schicksal herausgefordert. Er hatte das Ungetüm geritten, aber das war ihm nicht genug. Er wollte uns zeigen, dass er der Größte ist, dass es kein Zufall war – und er nahm die nächste Welle in Angriff.« Mark sah mich an. »Unsere einzige Schuld bestand darin, dass wir da waren und zusahen, Smilla.«
    Ich schluckte. Conrad hatte sich geirrt. Er hatte etwas gehört, das ihm das Verhalten seines Bruders logisch erklärte. Und als Justin tot war, hatte er einen Schuldigen gebraucht.
    Alec schien langsam zu begreifen und seine blauen Augen funkelten mich böse an. »Wenn das Schwein meinen Freund auf dem Gewissen hat, bringe ich ihn um«, sagte er hasserfüllt.
    »Was?« Erschrocken stolperte ich einen Schritt zurück.
    »Niemand hat hier irgendwen auf dem Gewissen«, sagte Mark, der als Einziger einen klaren Kopf zu behalten schien. »Josh ist ertrunken.«
    »Das wird sich noch herausstellen.« Alecs Hände gruben sich wie Klauen in den feuchten Sand. »Ihr habt doch gehört, was Smilla gesagt hat. Die Rothaut glaubt, dass Josh schuldig ist am Tod seines Bruders. Er hat unsere Autos demoliert. Er wollte Rache... verdammt.« Alecs Stimme brach und er fing an zu schluchzen.
    Mir wurde eiskalt. Was hatte ich angerichtet?
    Laura blickte mich mit verheulten Augen an und ich sah die eine ungeheuerliche Frage darin: Ist das alles wahr? Hat der Indianer Josh getötet?
    Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Voller Entsetzen schüttelte ich den Kopf und stolperte rückwärts. Ich fiel auf den Hintern, rappelte mich auf und lief in Richtung Treibholzbarriere. Ich wollte nur weg von hier. Wie konnten sie so etwas denken?
    Mit zitternden Knien suchte ich mir einen Weg zwischen den Stämmen entlang, als ich auf einmal ein klägliches Wimmern und Schluchzen hörte, das mehr nach einem Tier als nach einem Menschen klang. Brandee, schoss es mir durch den Kopf.
    Ich lief auf die Stimme zu, stieg über zwei große Stämme, stieß mir das Knie an einer Wurzel, doch ich achtete nicht darauf. Wenig später hatte ich sie gefunden.

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