Indigosommer
von der Flut eingeschlossen? Ich fasse es nicht.« Milo sieht seinen Freund ärgerlich an. Nachdem er vergeblich auf Conrad gewartet hatte, ist er allein auf Pilzpirsch gewesen.
Conrad zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Hab die Zeit vergessen.«
»Was machst du überhaupt so ganz allein auf der Insel?«, fragt Milo.
»Nachdenken.«
Milo brummt etwas. Conrad weiß, dass Nachdenken nicht Mi-los Stärke ist. Milo handelt. Dabei sind seine Hände meistens schneller als der Kopf. Wenn Milo wüsste, dass Conrad mit Smilla auf der Insel gewesen ist und ihr von seiner Familie erzählt hat, würde er die Welt nicht mehr verstehen. Seine Welt. Milos Welt ist klein. Sie reicht vom Meer bis nach Forks. Wenn er Sehnsucht hat auszubrechen, dann benutzt er seine pflanzlichen Hilfsmittel dafür.
»Wie war die Ausbeute?«, fragt Conrad, um von sich abzulenken.
Milo grinst breit. »Gut. Sehr gut. Ich habe lauter wunderschöne Blaue Engel gefunden. Sie trocknen schon.«
»Sei vorsichtig damit«, warnt ihn Conrad. Seit er diesen Horrortrip hinter sich hat, hält er nichts mehr von Magic Mushrooms .
»Oh, die Blauen Engel sind nicht für mich. Sie sind der Ausgleich für mein Feld.« Milo reibt Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Verstehe.«
»Wie sieht es morgen aus?«, fragt Milo. »Mein Alter braucht noch jemanden auf dem Boot.«
»Ja, geht klar.«
Milo nickt. Bevor er geht, dreht er sich noch einmal um und sagt: »Aber lass dich nicht wieder von der Flut einschließen.«
15. Kapitel
N achdem sich am Mittwoch die Morgennebel verzogen hatten, wurde es wieder ein strahlend sonniger Tag. Ohne Wochenendgäste war der Strand fast menschenleer und abgesehen von Brandee, die Publikum brauchte, freuten wir uns, Strand und Wellen wieder für uns allein zu haben.
Ob auf den Wellen, am Strand oder im Camp – ich dachte an nichts anderes als daran, wieder mit Conrad alleine zu sein. Gestern hatte ich es so eilig gehabt, wieder zu den anderen zu kommen, dass unser Abschied kurz und schmerzlos gewesen war und wir auch keine Verabredung getroffen hatten. Ich wollte Conrad wiedersehen. Aber wollte er das auch?
Während ich pausenlos an Conrad dachte, suchte Josh meine Nähe. Er kam mir dauernd hinterher, wie ein Hundebaby, was Laura ganz offensichtlich nicht zu gefallen schien. Langsam bekam ich das Gefühl, dass, was ich auch tat, ich in der Clique jemandes Unmut hervorrief. Diese Tatsache verunsicherte mich weniger, als das noch vor ein paar Tagen der Fall gewesen wäre, aber ich wollte Alec und seine Freunde nicht unnötig gegen mich aufbringen. Schließlich war ich auch hier ihr Gast.
Um ein paar Pluspunkte auf der Beliebtheitsskala zu sammeln, meldete ich mich am Nachmittag freiwillig zum Wäsche-dienst. Das Salzwasser und die Luftfeuchtigkeit ließen die Handtücher nicht mehr trocken werden und sie rochen muffig. Auch so hatte sich inzwischen bei jedem ein Häuflein schmutziger Wäsche angesammelt. Janice erbot sich, mich zu begleiten. Wir steckten die Wäsche in zwei große Müllsäcke, sammel ten von jedem ein paar Quarter ein und machten uns auf den Weg zum »Lonesome Creek Store«.
Wir hatten Glück, beide Waschmaschinen waren frei und so füllten wir eine mit dunkler und eine mit heller Wäsche. Mit einem schalkhaften Grinsen hielt Janice einen seidenen, mit zarter blauer Spitze besetzten BH von Victorias Secret in die Höhe. Wenig später fand ich den Slip dazu, ein winziges Stück durchscheinender Stoff. Wir prusteten los und ließen beides in die Maschine fallen.
»Auf diese Weise hat sie meinen Bruder also rumgekriegt«, sagte Janice. »Nicht schlecht. Vielleicht sollte ich es damit auch mal probieren.«
»Du hast Mark doch auch ohne Spitzenhöschen erobert.«
»Tja, Mark setzt eben mehr auf innere Werte«, bemerkte sie mit ernster Miene und musste sich gleich darauf ausschütten vor Lachen. Janice nahm sich nicht allzu ernst, das fand ich sehr sympathisch.
»Mark ist ein cooler Typ«, sagte ich. »Du hast Glück.«
»Ja«, sie strahlte. »Finde ich auch.«
»Aber warum schleichst du dich nachts in sein Zelt?«, wollte ich wissen. »Du bist schließlich siebzehn.« Dass Janice in Marks Zelt und mit ihm schlief, machte mir nichts aus, aber was sollte das verschämte Getue?
Janice wand sich ein wenig. »Ich weiß auch nicht. Alec nimmt dieses Großer-Bruder-Ding sehr ernst.«
Wem sagte sie das? Vermutlich war ich auch so etwas wie eine kleine Schwester für ihn. »Ich verstehe es
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