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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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musste sich neben das Holz setzen. »Großvater hat mich für zwei Nächte dort oben allein gelassen«, sagte Conrad. »Ich musste ohne Essen und Trinken auskommen, das Feuer instand halten und nachts Walöl in die Flammen spritzen. Die Funken sollten neugierige Geister anlocken.«
    »Und dann?«, fragte ich neugierig. »Wenn ein Geist auftauchte, was passierte dann?«
    »Dann sollte ich von der Plattform springen, meine Arme um ihn legen und ihn festhalten. Auf diese Weise kommt man zu einem Taxilit, einem Schutzgeist, der einen das ganze Leben begleitet.«
    »Und? Bist du gesprungen?«
    »Ja, na klar.«
    Ich hasste es, dass er es so spannend machte. »Und was hattest du?«
    »Eine blutige Nase«, sagte Conrad mit fröhlichem Spott im Blick und ich wusste, dass er mir nicht erzählen würde, was oder wer dieser Schutzgeist war, den er damals in den Bergen gefangen hatte.
    »Entschuldigung«, sagte ich reumütig. »Ich weiß manchmal nicht, was ich fragen darf und was nicht, ohne...«
    ». . . neugierig zu sein?«
    »Ja.«
    »Frag nur«, sagte er. Das klang zurückhaltend, aber auch ehrlich, und da immer noch viel Zeit blieb, bis die Ebbe uns den Rückweg freigeben würde, gab ich mir einen Ruck und begann, Conrad nach seiner Familie auszufragen. Seine Antworten ka men zögerlich, aber ich erfuhr von ihm, dass seine Mutter mit dem Maler fortgegangen war, als er zehn war. Dass aber zu dieser Zeit sein Großvater Akil, der Vater seines Vaters, noch im Haus gelebt und ihn von seinem Kummer abgelenkt hatte, indem er ihm jeden Abend vor dem Einschlafen Geschichten aus der Welt seiner Vorfahren erzählt hatte.
    »Wann ist dein Großvater gestorben?«, fragte ich.
    »Vor zwei Jahren. Großvater Akil kannte noch die alten Geschichten vom Robben-und Walfang. Sein Vater, mein Urgroßvater Qwyabe, war ein richtiger Walfänger«, sagte Conrad stolz und dabei war ein Leuchten in seinen Augen, das ich bisher noch nicht wahrgenommen hatte.
    »Meiner auch«, erwiderte ich beiläufig.
    Conrad riss den Kopf nach oben. Ungläubig starrte er mich an. »Machst du Witze?«
    Hey, dachte ich, Volltreffer! »Nein, es stimmt.« Ich erzählte ihm vom Grindwalfang auf den Färöer Inseln, wie sich die Bucht von Hvalba, in der mein Großvater gelebt hatte, im Sommer manchmal rot färbte vom Blut der Wale. Conrad war auf einmal ganz aufgeregt. Er wollte alles wissen und stellte mir eine Frage nach der anderen. Wie die Wale früher getötet wurden und wie heute. Wie das Walfleisch zubereitet wurde und ob niemand sich daran störte, dass die Wale sterben mussten.
    Ich hatte das Spektakel in der Bucht von Hvalba mehr als einmal gesehen, war Zeugin von Übergriffen militanter Tierschützer geworden und hatte auf jede seiner Fragen eine Antwort. Und als es Zeit war, die Insel zu verlassen, da wusste ich, dass sich zwischen Conrad und mir etwas verändert hatte: Er hatte mich ernst genommen und er hatte mir etwas von sich erzählt. Wir waren Freunde geworden. Etwas, das mir niemand mehr nehmen konnte.
    Ich kehrte auf dem schnellsten Wege ins Camp zurück und dort waren alle sichtlich froh, mich unversehrt wiederzusehen. Niemand schien mir böse zu sein.
    »Wo warst du denn bloß die ganze Zeit?«, fragte Janice.
    Ich hatte beschlossen, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben, denn meinen Abenteuerdrang würden sie mir sicher eher nachsehen als ein Date mit Conrad Howe. »Auf der Geisterinsel«, sagte ich und zeigte auf A-Ka-Lat. »Ich weiß, das war eine blöde Idee. Aber ich habe Fotos gemacht und nicht gemerkt, wie die Flut kam. Ich saß fünf Stunden dort fest. Ich bin am Verhungern.«
    »Ohne Scheiß, du warst da oben?«, fragte Josh neugierig. »Ist das nicht verboten?«
    »Ich glaube nicht. Da war nirgendwo ein Schild, nur eine Leiter.«
    »Mann oh Mann«, Josh schüttelte den Kopf, aber ich sah auch die Bewunderung in seinen Augen. »Ganz schön gefährlich, oder?«
    »Auch nicht gefährlicher als Surfen, würde ich sagen.« Ich lächelte entschuldigend.
    »Kannst du uns das nächste Mal sagen, wo du hingehst, Midget?«, brummte Alec. »Wir haben uns Sorgen gemacht. Wenn du nicht bald aufgekreuzt wärst, hätten wir die Polizei geholt.«
    »Sorry«, sagte ich und machte ein zerknirschtes Gesicht. »Ich wusste ja vorher auch nicht, dass ich dort landen würde. Macht euch in Zukunft bitte keine Sorgen, ich kann schon auf mich aufpassen.«
    Alle gaben sich damit zufrieden und ich war sehr erleichtert. Glück gehabt, dachte ich.
    »Du warst

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