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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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die leuchtend blaue Gischt wie ein Geist – oder wie jemand, der Geister vertreiben wollte. Es war nach Mitternacht, die Flut hatte ihren höchsten Stand noch nicht erreicht, doch die Wellen, die hereinkamen, waren hoch wie nie. Schaumflocken flogen wie blaue Lichtsplitter.
    Ich fragte mich, wer der nächtliche Surfer war. Keiner aus der Clique schien mir verrückt genug, um so etwas zu tun. Außer Mark vielleicht. Aber als ich gegangen war, hatte ich sein Longboard neben den anderen Brettern im Mondlicht stehen sehen.
    Vermutlich war der mysteriöse Wellenreiter einer der neuen Urlauber, die am Wochenende angekommen waren und in ihren Campern schliefen. Ich sah den Surfer hinter der blauen Brandung verschwinden und wieder auftauchen. Er schien vertraut zu sein mit der Bucht, war ein Meister der Wellen. Anders als die Clique mit ihrer ungebremsten Energie surfte er voller Anmut, war eins mit dem Ozean. Ich bewunderte seine akrobatische Geschmeidigkeit, seine weichen, tänzerischen Bewegungen.
    Auf dem Kamm einer riesigen Welle ging die schwarze Gestalt in die Knie und breitete die Arme aus wie ein Seevogel seine Flügel. Sie surfte vom Wellengipfel zum Wellental und wieder zurück. Der Fremde schien über das leuchtende Meer zu schweben. Nach einiger Zeit zog er in der blauen Gischt einen Bogen und kam zurück zum Strand, wo er aus dem Wasser stieg. Sein Surfbrett war groß, es überragte ihn noch ein ganzes Stück. Ein Longboard – wie das von Mark.
    Am Strand löste der Surfer die Leine von seinem Fußgelenk und hob das Brett auf seinen Kopf. Seine nackten Füße hinterließen blau leuchtende Fußabdrücke im nassen Sand. Schließlich wandte er sich landeinwärts und kam direkt auf mich zu. Er konnte mich nicht gesehen haben, aber nun hatte ich auch keine Möglichkeit mehr, unbemerkt zu verschwinden. So drückte ich mich noch tiefer in die nächtlichen Schatten der großen Wurzel, denn ich wollte nicht entdeckt werden.
    Erst als die schwarze Gestalt fast bei mir angelangt war, bemerkte ich das Kleiderhäuflein am anderen Ende des Baumstammes, auf dem ich saß. Mist . Ich hielt den Atem an.
    Aus der Nähe sah ich, dass der Surfer langes dunkles Haar hatte. Er lehnte sein Brett behutsam gegen den Stamm und wrang das Wasser aus seinen Haaren. Dann begann er, sich aus dem Neoprenanzug zu schälen. Darunter war er nackt. Das Mondlicht floss über seinen Rücken, das lange Haar, während er sich mit einem Handtuch trockenrieb. Als er mir seine Vorderseite zuwandte, entschlüpfte meiner Kehle ein überraschter Laut. Das konnte nicht sein unmöglich .
    Trotz Brandungsrauschen hatte Conrad mich gehört und hielt sich erschrocken das Handtuch vor die Mitte.
    »Verdammt, wer . . .?« Er starrte auf die Wurzel und ich rutschte langsam auf dem Stamm nach vorn ins helle Mondlicht.
    »Ich bin’s, Smilla. Tut mir leid, ich wollte nicht...ich konnte nicht schlafen«, stammelte ich. »Ich bin zum Strand gelaufen und da . . . ich habe so etwas noch nie gesehen.« Ich überließ es ihm, sich auszusuchen, was ich damit meinte: das Meeresleuchten oder seinen nächtlichen Ritt auf den Wellen. Ich war immer noch vollkommen perplex. Conrad war ein Surfer. Und zwar ein begnadeter.
    Er wandte mir wieder den Rücken zu und zog sich ohne Hast an. Mein Herz schlug Purzelbäume. Ich versuchte, zu denken und mir einen nächsten Satz zurechtzulegen, mich zu wappnen gegen seinen Ärger, denn bestimmt war er nicht froh darüber, dass ich sein Geheimnis entdeckt hatte.
    Da kam er auch schon auf mich zu. Er hockte sich neben mich auf den Stamm, rieb den Sand von seinen Füßen und zog Socken und Turnschuhe an.
    »Ich dachte, du hasst Surfer«, stieß ich hervor.
    »Tue ich ja auch.«
    »Aber du bist selber einer.«
    »Bin ich das?«, fragte er nach einer Weile.
    »Definitiv. Du kannst besser surfen als jeder Einzelne aus der Clique. Du bist sogar besser als Mark.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich habe Augen im Kopf.«
    Ich sah seine Zähne im Mondlicht aufblitzen, als er lächelte.
    Mir fiel ein großer Stein vom Herzen. Conrad war nicht sauer auf mich.
    »Ihr Fehler ist, dass sie keinen Respekt vor den Wellen haben«, sagte er. »Sie benutzen sie, statt sie zu achten. Sie benutzen das Meer, um sich selbst wie die Größten dastehen zu lassen.«
    Ich hörte kaum, was er sagte. »Warum in der Nacht, Conrad?«
    »Ich habe meine Gründe.«
    »Weil am Tag erbärmliche weiße Stümper auf deinen Wellen reiten? Weil du den Strand und den Ozean

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