Indigosommer
gewesen und hatte einem Quileute-Fischer Heilbutt abgekauft. Die Filets brieten nun in seiner gusseisernen Pfanne über dem Feuer. Der Heilbutt schmeckte köstlich, aber auch wenn Janice, Mark und Laura (ihre Aussichten, Josh für sich zu gewinnen, waren seit gestern enorm gestiegen) versuchten, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, lähmte mich die spannungsgeladene Atmosphäre.
Joshs und Alecs Missbilligung war beinahe greifbar. Sie ignorierten mich einfach. Erst als sie ein paar Bier getrunken und eine neue Flasche Jim Beam ein paarmal die Runde gemacht hatte, wurden die beiden etwas lockerer und vergaßen hin und wieder, dass sie mich eigentlich übersehen wollten.
Ich hatte mich ja schon vor einiger Zeit damit abgefunden, dass ich nicht dazugehörte, doch das hier war etwas anderes. Die ganze Clique mauerte. Brandee hatte mich von Anfang an nicht gemocht. Laura war es im Grunde genommen egal, was ich machte, zumindest glaubte ich das. Aber wenn sie nicht bei Josh in Ungnade fallen wollte, musste sie zumindest so tun, als würde sie mich ablehnen. Mark stand auf meiner Seite, das wusste ich, aber augenscheinlich traute er Conrad genauso wenig über den Weg wie seine Freunde. Und Janice schwankte zwischen der Loyalität, die sie ihrem Bruder gegenüber empfand und einer Freundschaft zu mir, die noch zu frisch war, um in dieser vertrackten Situation Bestand haben zu können.
Wahrscheinlich hatte sich die Clique während meiner Abwesenheit ausgiebig über mich ausgelassen. Über mein Helfersyndrom. Darüber, dass ich scheißliberal war. Über meine Naivität, etwas mit einem Indianer anzufangen. Je länger ich bei ihnen saß, umso grässlicher fühlte ich mich. Wir hatten noch eine ganze Woche vor uns und ich musste in dieser Zeit irgendwie mit ihnen auskommen. Wie es aussah, hatten sie nicht vor, es mir leicht zu machen.
Josh schaute immer mal wieder zu mir herüber und ich mochte den Blick nicht, mit dem er mich ansah. Er schien mich zu belauern, das verursachte mir Magendrücken.
Brandee saß zwischen Josh und Alec. Sie rauchte und ich sah sie mit Josh tuscheln und lachen und konnte mir lebhaft vorstellen, wer das Objekt ihrer Heiterkeit war.
Ich versuchte, gelassen zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen. Vielleicht kriegten sie sich ja wieder ein, so etwas sollte schließlich vorkommen. Vielleicht war am nächsten Morgen alles wie immer. Du träumst, Smilla, sagte eine Stimme in mir. Vielleicht war ja am nächsten Morgen tatsächlich alles vergessen, doch spätestens wenn ich losging, um mich mit Conrad im »River’s Edge« zu treffen, würde es wieder von vorne anfangen.
Merkten sie nicht, dass sie mich herausforderten? Durch ihr Verhalten zwang mich die Clique, eine Entscheidung zu treffen. Sie oder Conrad. Und das war einfach nur dämlich.
Als ich Anstalten machte, schlafen zu gehen, konnte Josh, der ordentlich Jim Beam gekippt hatte und inzwischen vermutlich sternhagelvoll war, nicht länger an sich halten.
»Wie war er denn so, dein Cujo?«, fragte er mich streitlustig und rülpste laut. »Vögelt er so schwul, wie er surft?«
Brandee war die Einzige, die über seinen geschmacklosen Witz lachte. Sie konnte ihre Schadenfreude kaum unterdrücken. Ihr Lachen verursachte mir Gänsehaut, es klang wie eine gesprungene Saite.
»Mach dich nicht lächerlich, Josh«, sagte ich und versuchte, gelassen zu klingen.
»Komm endlich runter von deinem hohen Ross, Smilla«, lallte er und zeigte mit der Whiskeyflasche in der Hand auf mich. »Du glaubst, du bist was Besseres als wir, bloß weil der Typ sich mit dir abgibt. Aber ohne Scheiß, du wirst schon noch sehen, was du davon hast. Du bist ja noch total grün hinter den Ohren.« Joshs attraktives Gesicht verzerrte sich vor Wut und verletztem Stolz. »Wo ist er denn jetzt, dein Häuptling?«, rief er. »Wieso bist du hier und nicht bei ihm? Weil er dich heimgeschickt hat, damit er die schöne Kellnerin flachlegen kann. So läuft das bei denen nämlich, du willst es bloß nicht wahrhaben.«
Ich zuckte zusammen, als hätte Josh mich geschlagen mit seinen Worten. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Bislang hatte ich Josh jedes Mal verziehen, wenn er mich angegriffen hatte. Sogar seinen Ausbruch am Supermarkt hätte ich vergessen können. Aber nun war er zu weit gegangen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, diese Fratze, die mich da anstarrte, war sein wahres Gesicht. Wie konnte ich mich bloß so in ihm getäuscht haben?
Fragend blickte ich in die
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