Indische Naechte
worden.
Nun war es die Pflicht eines jeden guten Hindus, sicherzustellen, daß sie auch wirklich an der Seite ihres Mannes starb.
Mit habgierigen Augen brachte Pushpa die Schmuckschatulle herbei. »Sag uns, wie du deine Juwelen verteilen willst. Ich werde dafür sorgen, daß dein Wunsch erfüllt wird.«
Meera richtete ihre stumpfen Augen auf die Frau ihres Stiefsohnes und entdeckte, daß Pushpa bereits ein Paar der schönsten Ohrringe trug. Ein Funken wütenden Trotzes brach durch Meeras Resignation. Sie öffnete das Kästchen. »Ich werde alles auf dem Scheiterhaufen tragen.«
Ein entsetztes Gemurmel erhob sich von den Frauen, die sie umgaben. »Aber das geht nicht! Das ist doch Verschwendung!«
Meera schaute sich um und sah kein einziges mitfühlendes Gesicht. »Keine von euch ist meine Freundin gewesen.« Sie schloß ein wunderschönes Meenakari-C ollier um ihren Hals, dann streifte sie die schweren, breiten Silberarmreifen über. Als sie nach der Lotosblütenkette griff, sagte sie ohne Umschweife: »Wenn ihr mein Geschmeide wollt, dann könnt ihr unter meinen verbrannten Knochen danach graben!«
Wut erfüllte den Raum. Pushpa hob eine Hand, als wollte sie ihr den Schmuck herunterreißen, aber Meera fauchte sie nur an. »Faß irgend etwas an, und ich verfluche dich noch, wenn ich sterbe!« Und niemand wagte es mehr, ihre Entscheidung anzufechten.
Willenlos wie eine Puppe ließ Meera sich in ihren besten Seidensari kleiden, in dem sie auch geheiratet hatte. Nur zu bald war es Zeit, sich der Prozession zum Flußufer anzuschließen, wo die Verbrennung stattfinden würde. Als sie für immer ihr Zuhause verließ, tauchte Meera ihre Hand in rote Farbe und hinterließ einen Abdruck neben anderen, ausgeblichenen auf dem Türsturz. Wie betäubt überlegte sie, ob diese schon lange vergessenen Frauen freiwillig gestorben oder ob sie auch gezwungen worden waren.
Die Sonne versank am Horizont, als Meera inmitten der Prozession zum Fluß hinabging. Sie war umgeben von Menschen, damit sie nicht flüchten konnte, falls sie sich doch entschloß, sich und ihrer Familie Schande zu machen. Sie hätte es versucht, wenn sie Hoffnung auf Rettung gehabt hätte, aber eine solche Hoffnung gab es nicht. Sie hatte einmal eine Frau gesehen, die aus den Flammen zu fliehen versucht hatte, nur um von ihrem eigenen Sohn zurückgestoßen zu werden. Nein, es gab kein Entkommen. Wer war sie denn, daß sie sich gegen die Ungerechtigkeit des Schicksals auflehnte?
Der Scheiterhaufen war aus Sandelholz errichtet worden, in dessen Zwischenräume man ölgetränkte Baumwolle gestopft hatte. Er würde schnell brennen, doch nicht schnell genug, um Meera ohne Qualen zu töten. Dumpf ließ sie die Zeremonien über sich ergehen und wußte, sie hätte beten sollen. Aber sie konnte nur an das Feuer denken. Wenn die Ehefrau schon an der Seite ihres Mannes sterben sollte, warum mußte es dann schmerzhaft sein?
Plötzlich stieß Dhamo sie grob vorwärts. Sie erinnerte sich, daß sie den Scheiterhaufen dreimal umrunden mußte, und tat es pflichtbewußt, obwohl ihre Füße aus Blei zu bestehen schienen. Dann kam der Augenblick, an dem sie die Leiter hinaufsteigen sollte. Sie stolperte, und eine harte Hand schob sie hinauf. Seltsamerweise schien Mohans blumenbedeckter Körper einladender als all die Gestalten der Familie unter ihr. Vielleicht war es richtig, daß sie ihm ihre Seele übergab.
So heftig zitternd, daß der Schmuck leise klirrte, legte sich Meera auf das gestapelte Holz und wartete auf das Feuer.
Laura freute sich darauf, endlich Manpur zu erreichen, denn mit einem stummen Mann zu reisen, war reichlich anstrengend. Mehr als das: In den letzten Tagen hatte sie das unangenehme Gefühl gehabt, daß etwas nicht stimmte. Ians Blick konnte nur als brütend beschrieben werden, fast zornig, und er vermied sogar den leichtesten körperlichen Kontakt. Doch sein Benehmen war weiterhin höflich, und es lag eine Art Zärtlichkeit darin, die sich für seine seltsame Stimmung entschuldigen zu wollen schien.
Da es bereits spät war, brachte Laura ihr Pferd neben Ians. »Werden wir diese Nacht wieder in einem Dak-Bungalow verbringen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind fast aus dem britisch verwalteten Gebiet heraus. Hier gibt es kaum noch Daks. Wenn nicht gerade ein Würdenträger der Stadt darauf besteht, daß sein Tag getrübt wird, wenn wir nicht bei ihm übernachten, lagern wir außerhalb.«
Gesang ertönte in der Ferne, und Ian lauschte einen
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