Indische Naechte
Frau. Vielleicht konnte sie mit der Zeit lernen, Berührungen zu genießen, und wenn es geschah, dann fand sie bestimmt auch irgendwann Gefallen am Liebesspiel. Vielleicht konnten gelegentlich kleine Zärtlichkeiten sie auf den Geschmack bringen.
Mit grimmigem Humor begriff er, daß er über die Verführung seiner eigenen Frau nachdachte. Doch die Gefahr lag darin, daß er nicht mehr würde aufhören können, wenn er damit einmal anfing. Im Augenblick blieb ihm also nichts anderes übrig, als Abstand zu ihr zu halten, um sie nicht zu etwas zu drängen, was sie nicht wollte. Zwar begehrte er sie fast schon verzweifelt, aber er wollte nicht, daß sie sich einfach unterwarf. Sie sollte sich ihm freiwillig hingeben.
Er konnte ihr nichts von seiner wundersamen Heilung sagen. Er konnte nicht mehr in einem Bett mit ihr schlafen. Er würde sich eine Ausrede ausdenken müssen, warum er von nun an allein schlafen wollte.
Und diese Aussicht gefiel ihm gar nicht.
Müde setzte er sich auf das Fensterbrett und blickte über die leise rauschenden Bäume. Wie viele Nächte in düsterer Verzweiflung hatte er seit seiner Rückkehr nach Indien schon verbracht? Zu viele. Der Schwarze Brunnen war entsetzlich gewesen, aber er hatte ihr Leben auf eine freudlose Weise einfach gemacht. Nun mußte er mit der schrecklichen Ironie des Schicksals fertig werden, daß er zwar wieder in der Lage war, mit seiner Frau zu schlafen, sein Ehrgefühl es ihm aber genauso unmöglich machte, wie seine Unfähigkeit zuvor.
Eines jedoch stand fest: Er mußte eine Lösung aus diesem Dilemma finden — und zwar innerhalb der Abmachungen, die diese Ehe erst ermöglicht hatten.
Kapitel 18
Traurig dachte Laura, daß es ihr kein Glück gebracht hatte, sich darüber zu freuen, wie hervorragend alles funktionierte, denn schon am nächsten Tag, als sie Hirsar verließen, zog sich Ian in ein neues, finsteres Schweigen zurück. Obwohl er höflich wie immer war, sprach er den ganzen Tag kaum ein Wort zu seinen beiden Gefährten. Laura bedauerte seine Zurückhaltung, akzeptierte aber, daß das Leben Höhen und Tiefen hatte. Ganz sicher würde sich seine Stimmung bald wieder bessern.
Doch ihre Zuversicht schwand, als sie erkennen mußte, daß Ians Seelenzustand sich ganz und gar nicht zu bessern schien. Sie waren eingeladen worden, die Nacht bei einem vermögenden Landbesitzer zu verbringen, und das Zimmer, das ihnen zur Verfügung gestellt wurde, war das luxuriöseste, das Laura seit Cambay gesehen hatte. In ihrem Nachthemd schlüpfte sie unter die Decke und empfand eine un-ziemliche Begierde, während sie auf Ian wartete. Sie liebte die stille Intimität der Nacht. In den Armen eines anderen zu schlafen, erforderte Vertrauen, und die Stunden, die sie umschlungen im Bett verbrachten, woben ein festes Band zwischen ihnen.
Doch statt zu ihr zu kommen, sagte Ian: »Ich hatte wieder Schwierigkeiten mit dem Schlafen, Laura. Ich werde mir ein Bett auf dem Boden machen.« Er nahm ein Kissen und eine Decke, legte sie ein paar Schritte vom Bett entfernt auf die Dielen und ließ sich nieder.
»Ich bin in einer Minute bei dir.« Laura setzte sich auf und schob ihre Decke weg. Die Aussicht, auf dem Boden zu schlafen, schreckte sie nicht, denn sie war es von ihrer bisherigen Reise gewohnt. Wichtig war nur, ihren Mann neben sich zu haben.
Ian blickte auf, und etwas flackerte in seinem Blick, bevor seine Miene sich verschloß. »Du bleibst, wo es bequem ist. Ich denke, ich schlafe besser allein«, sagte er ausdruckslos. »Gute Nacht.« Dann zog er die Decke um sich und rollte sich auf die Seite, weg von ihr.
Zuerst starrte sie nur auf seinen Rücken und hatte den Wunsch zu weinen. Vielleicht würde er allein besser schlafen, sie jedoch gewiß nicht.
Still legte sie sich ins Bett zurück und sagte sich, daß sie Ians Zurückweisung nicht persönlich nehmen durfte. Sein Zustand hatte sich in den letzten Wochen so sehr gebessert, daß man leicht vergessen konnte, welche Torturen er noch vor nicht allzu langer Zeit hatte erleiden müssen. Der Weg zu einer endgültigen Heilung mußte ja lang und steinig sein.
Ja, wenn sie es so betrachtete, war es besser für ihn, allein zu schlafen, statt dauernd an den anderen zu stoßen. Laura schlief, im Gegensatz zu Ian, meistens sehr fest. Es mußte ihn ja stören, sich ständig von ihr umschlungen zu fühlen.
Alles war ganz logisch und in Ordnung. Warum nur hatte sie dann das starke Bedürfnis, die Kissen durch den Raum zu
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