Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
frei sein!
    Selbst wenn sie betteln und verhungern mußte, dann wäre es noch ein besseres Ende, als qualvoll zu verbrennen. Getrieben von Furcht und verzweifelter Hoffnung, raffte sie ihren Sari und rannte und rannte fort vom dem brennenden Holzstoß.
    Laura blickte auf den Fluß, wo eine Qualmwolke den Ort kennzeichnete, an dem die Zeremonie, deren Gesänge sie kurz zuvor gehört hatten, nun den Höhepunkt erreichen mußte. Sie hörte laute Rufe, dachte sich aber nichts dabei, bis Ian plötzlich sein Pferd zügelte und eine Hand warnend hob. »Hört ihr das?« sagte er scharf. »Da stimmt etwas nicht.«
    Laura hielt ebenfalls an. Zafir, der etwas hinter ihnen geritten war, schloß zu ihnen auf, so daß die drei nun eine kompakte Gruppe bildeten. Die Rufe kamen rasch näher, und plötzlich brach jemand etwa fünfzig Fuß vor ihnen aus dem Gebüsch. Laura hatte gerade soviel Zeit, um zu erkennen, daß es eine Frau in einem roten Sari war, da stürzten schon ein halbes Dutzend brüllender Männer heran.
    Die Flüchtige stolperte auf die Straße, hob den Blick und sah Ian. Ohne Hut war er leicht als Europäer zu erkennen. Sofort rannte die Frau auf ihn zu. »Bitte, Sahib!« schrie sie. »Ich will nicht brennen!«
    Immer mehr Menschen ergossen sich auf die Straße, und Ian trieb sein Pferd auf die Frau zu. Als er sich zwischen sie und die Verfolger geschoben hatte, rief er laut: »Was geht hier vor?«
    Laura hielt den Atem an, als sie die plötzliche Verwandlung ihres Mannes von einem müßig Reisenden in einen ausgebildeten Soldaten erkannte. Mit seiner Größe und seiner befehlsgewohnten Art schien er seine Umgebung zu überragen. Die Männer auf der Straße waren auf einmal verunsichert und blieben verwirrt stehen.
    Nicht nur Ian hatte eine Wandlung durchgemacht. Zafir hatte seine Waffe gezogen, und die gewöhnlich fröhliche Miene des Pathanen war dem harten Blick eines Kriegers gewichen. Laura fand, daß auch sie etwas beitragen sollte, zog ihr eigenes Gewehr aus der Hülle und legte es über den Schoß. Obwohl sie es nicht entsicherte, wußte sie, daß die regelmäßigen Schießübungen sie soweit gebracht hatten, daß sie durchaus mit der Waffe umgehen konnte, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte.
    Die Männer hatten sich inzwischen wieder gefaßt, und der eine, der die Verfolger angeführt hatte, trat vor. »Reite weiter, Engländer«, sagte er streitlustig. »Dies geht dich nichts an.«
    Ian blickte über seine Schulter auf die Frau, die zwischen Laura und Zafir stand. »Warum sind sie hinter dir her?«
    Das Stück Sari, das normalerweise über den Kopf drapiert wurde, war heruntergerutscht und zeigte, daß die Frau fast noch ein Kind war. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: »Die Familie meines Mannes zwingt mich, Sati zu werden, Sahib!«
    Ian wandte sich wieder zu den Männern. »Ist das wahr?«
    Der Anführer spuckte aus. »Meera, dieses unwürdige Luder, hat eingewilligt, dann ihre Meinung geändert. Durch ihre feige Flucht hat sie Schande über die Familie gebracht! Sie kann die Ehre nur wiederherstellen, wenn sie zurück zum Scheiterhaufen geht!«
    »Bitte, Sahib! Erlaub es ihnen nicht!« flehte Meera. »Wenn du mich beschützt, werde ich deine willige Sklavin sein.«
    Die Menge der Männer bewegte sich langsam voran. Ian setzte sein Pferd in Bewegung und begann, mit kurzen, winzigen Schritten tänzelnd die Straße zu überqueren, was eine unsichtbare, doch effektive Barriere zwischen dem Mädchen und ihren Verfolgern bildete. »Das ist gegen das Gesetz«, sagte er mit einer barschen Stimme, die für jeden hörbar war. »Der Sirkar hat den Brauch vor mehr als zehn Jahren verboten.«
    Der Brahmane arbeitete sich bis zur ersten Reihe durch. »Sati ist ein alter Brauch, Engländer«, sagte er wütend. »Weder du noch der dreckige Sirkar hat das Recht, ihn uns zu verbieten!«
    »Und es ist ein alter englischer Brauch, Männer zu hängen, die ihre Frauen verbrennen«, erwiderte Ian mit tödlicher Verbindlichkeit. »In diesem Fall sollten wir nach unseren überlieferten Sitten handeln.«
    »Du bist nicht länger in Britisch-Indien, Engländer«, knurrte der Anführer. »Dies ist Rajputana — der Sirkar hat hier keine Befehlsgewalt. Die Frau hat zugestimmt, Sati zu werden, und nun muß sie brennen. Wenn du sie uns nicht herausgibst, dann nehmen wir sie uns.«
    Eine Stimme aus der hinteren Reihe setzte laut hinzu: »Und es wird nicht das einzige sein, das wir nehmen, Engländer!«
    Laura sog entsetzt die

Weitere Kostenlose Bücher