Indische Naechte
Glaube liegt irgendwo dazwischen. Ich werde diesmal noch nicht aus dem Kreislauf der Wiedergeburt befreit werden, aber ich möchte es eigentlich auch gar nicht. Ich wäre glücklich, tausend weitere Leben mit Rajiv Singh zu erfahren.«
»Und was ist mit solchen Dingen wie der Sati?« fragte Laura. »Viele Frauen werden gegen ihren Willen verbrannt.«
»Das dürfte natürlich nicht sein«, antwortete Kamala bestimmt. »Jeder, der eine Frau gegen ihren Willen dazu zwingt, ist ein Mörder, der in seinem nächsten Leben dafür bezahlen wird. Aber für eine Frau, die es will, ist Sati ein Ritus von großer Heiligkeit. Wenn Rajiv Singh vor mir stirbt, werde ich ihn sicher auf den Scheiterhaufen begleiten.«
»Du?« Laura war so überrascht, daß sie stehenblieb. Es war unmöglich, einen solch schrecklichen Tod mit der wunderschönen, fröhlichen Frau neben ihr in Verbindung zu bringen.
Die Maharani lächelte sanft, als würde sie zu einem Kind sprechen. »Wenn Rajiv stirbt, stirbt meine Seele mit ihm. Warum soll ich meinen Körper erhalten, wenn wir im Tod und im nächsten Leben Zusammensein können? Wenn die Zeit kommt, gehe ich ohne zu zögern mit ihm.«
»Dann hoffe ich nur, daß es nicht so' schnell passiert«, sagte Laura inbrünstig.
»Srinivasa meint, wir haben noch viele Jahre zusammen.« Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: »Es gibt eine alte Sage von einer Rajputen-Prinzessin, deren Mann an ihrem Hochzeitstag in die Schlacht gerufen wurde. Er starb, und am nächsten Tag begleitete sie ihn als Braut, Jungfrau, Witwe und mit ihren Hochzeitsblumen auf der Brust auf den Scheiterhaufen.«
Laura schauderte zusammen. »Ich bin zu sehr durch den Westen geprägt, um einen Sinn darin sehen zu können. Ich möchte lieber für meinen Mann leben oder sogar sterben, um sein Leben zu schützen, als ihm in den Tod zu folgen.«
»Dann lebe wirklich und ohne Angst, Laura«, sagte die Maharani weich. »Für ihn und für dich selbst.«
Sie traten aus dem Wald auf eine ausgedehnte grüne Rasenfläche, die einen offenen Pavillon umgab. Laura bewunderte gerade die Struktur, als sie im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sie wandte den Kopf in der Erwartung, ein Reh oder einen Affen zu sehen, doch dann hielt sie entsetzt den Atem an. Irgendwie war ein schwarzer Panther in den Garten gelangt. So geschwind wie ein dunkler Blitz sprang er über das weiche Gras auf die beiden Frauen zu, und seine geschmeidigen Muskeln bewegten sich in fließender Kraft. Laura zwang sich, ihre Panik zu unterdrücken, und flüsterte: »Kamala, wir sind in Gefahr.«
Laura blickte sich rasch um, ob in der Nähe Hilfe zu sehen war, oder ob sie den Pavillon noch rechtzeitig erreichen würden, aber die Strecke war zu groß. Zudem würde der Panther sie wie Lämmer reißen können, sobald sie ihm den Rücken zudrehten.
»Hab keine Angst, Laura«, sagte die Maharani schnell. Im gleichen Moment lief der Panther um Laura herum, sammelte sich dann und setzte zum Sprung auf die Maharani an.
Bevor Laura noch aufschreien konnte, sah sie, daß das Raubtier nicht zubiß, sondern Kamala nur anstupste. Der Panther stieß ihr seinen runden Kopf allerdings so fest in die Rippen, daß es sie fast umgeworfen hätte. Lächelnd griff sie mit beiden Händen nach seinem Kopf und kraulte ihn hinter den weichen schwarzen Ohren.
Laura starrte die beiden ungläubig an. »Er gehört dir?«
»Tut mir leid, daß du dich erschreckt hast, Laura«, sagte Kamala zerknirscht. »Ich habe nicht daran gedacht, daß du Tika noch nie gesehen hast. Schwarze Panther sind sehr selten, und ein Raja hat sie mir geschenkt, als sie noch ganz klein war. Ich hielt sie zuerst im Palast, aber nun, da sie ausgewachsen ist, hat sie im Park einen schönen Platz gefunden. Aber immer, wenn sie meine Witterung aufnimmt, springt sie über den Zaun und kommt augenblicklich zu mir. Komm, streichel sie einmal unterm Kinn. Das hat sie gern.«
Mit immer noch heftig klopfendem Herzen gehorchte Laura und wurde mit einem lauten, sehr, sehr beunruhigenden, aber vergnügten Rumpeln belohnt. Es war kein echtes Schnurren, fand sie, vielleicht waren Panther nicht mit den nötigen Organen ausgestattet. Statt dessen würde das Geräusch jedem Angst und Schrecken einjagen, der es nachts draußen hörte.
Laura hatte gehört, daß schwarze Panther eine Abart der Leoparden waren, und nun sah sie, daß sich die Leopardenflecken tatsächlich noch etwas dunkler auf dem glänzenden Fell abhoben. Während Laura der
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