Indische Naechte
»Der Sari ist ein sehr anmutiges Kleidungsstück, und ein so dünner wird einen Mann zum Wahnsinn treiben.« Ihre dunklen Augen funkelten. »Ich spreche aus Erfahrung.«
Laura lachte, obwohl sie wußte, sie würde den Sari erst später für Ian tragen. Es war im Augenblick alles noch zu ungewohnt für sie, denn sie war ja beinahe noch eine Jungfrau. Aber sie war fest entschlossen, dies zu ändern.
Etwas später am Abend hatte Laura die Hoffnung aufgegeben, daß Ian noch heimkommen würde, als er ganz plötzlich und unerwartet den Raum betrat. Selbst müde und staubig sah er attraktiv genug zum Anbeißen aus. Der Gedanke ließ sie an das Kamasutra denken, und so sagte sie hastig: »Du bist wieder da! Ich dachte schon, du kommst erst morgen.«
»Rajiv Singh wollte unbedingt noch heute abend zu Hause ankommen, daher sind wir an einem Stück durchgeritten.«
Laura dachte daran, ihm einen Begrüßungskuß zu geben, aber in Ians Miene lag irgend etwas, das sie davon abhielt. Sie würde bis später warten, wenn er etwas entspannter war. »Soll ich dir ein Bad bereiten lassen?«
»Phantastische Idee. Und etwas zu essen wäre gut.« Er fuhr sich müde durchs Haar. »Nach den Tagen, die wir im Freien gelagert haben, freue ich mich auf den Luxus eines Palastes.«
»Hat der Maharadja dich überreden können, seine Armee zu übernehmen?«
»Er hat es versucht, aber schließlich die Niederlage eingesehen.« Ian lächelte. »Wir haben ein paarmal Schach gespielt. Ich konnte ihn etwa bei der Hälfte der Spiele schlagen, was offenbar nicht oft vorkommt. Das ließ ihn nur noch mehr bereuen, daß ich sein Angebot nicht annehmen will, aber er hat es wie ein Gentleman akzeptiert.« Er warf einen Blick auf das Tagebuch, in dem Laura las. »Hast du etwas Interessantes gefunden?«
Froh, daß sie Pjotrs Papiere statt des Kamasutra studiert hatte, antwortete Laura: »Vieles. Ich habe mir überlegt, ob ich Pjotrs Aufzeichnungen in London veröffentlichen lassen soll — er schreibt witzig und treffend und hat ein unbegreifliches Leben geführt. Aber bisher stand nichts von dem drin, was wir gesucht haben.«
»Vielleicht gibt es auch nichts zu finden«, überlegte Ian. »Aber die Idee, einen Teil seiner Bücher zu veröffentlichen, gefällt mir. Die Memoiren eines russischen Agenten hört sich gut an. Mein Schwager Ross ist ein Schriftsteller — vielleicht ist sein Verleger interessiert.«
Laura nickte abwesend, dann erfaßte sie den Zusammenhang. »Lieber Himmel, ist der Ross, dein Schwager, der Reiseautor Lord Ross Carlisle?«
»Ja, aber er ist, seit sein letztes Buch erschienen ist, Marquess of Kilburn geworden.«
»Sein Werk ist ausgezeichnet«, antwortete Laura. »Ich habe alle seine Bücher gelesen. Es ist weniger, was er schreibt, sondern vielmehr wie.«
Ian grinste und fühlte sich schon entspannter. »Sag ihm das, und du machst dir einen Freund fürs Leben.«
Laura zog ein Gesicht. »Ich weiß nicht. Ich finde, er hört sich jetzt genauso beängstigend an wie deine Schwester Juliet.«
Ian lächelte und ging ins Badezimmer. Laura rief einen Diener und befahl, das Bad zu richten und etwas zu essen zu bringen. Während ihr Mann sich frischmachte, zog sie ihr hübschestes Nachthemd an und bürstete ihr Haar aus. Sie wollte auf unaufdringliche Art begehrenswert wirken. Offenbar war sie erfolgreich damit, denn als Ian aus dem Bad kam, zerfiel seine gleichgültige Maske sofort, als er sie erblick-te. Während er aß, mied er jeden Blick auf sie und sprach kaum.
Obwohl sie sich freute, daß ihre Erscheinung auf ihn wirkte, war sie trotzdem deprimiert, da sie nicht wußte, was sie als nächstes tun sollte. Sie konnte sich nicht durchringen, einfach zu sagen: »Ach, übrigens, Ian, ich habe meine Meinung geändert, was Sex mit dir betrifft. Sollen wir ins Schlafzimmer gehen?« Schade, daß die Ratschläge des Kamasutra nicht diese besondere Situation abdeckten.
Sobald er den letzten Bissen gegessen hatte, stand Ian auf. »Wenn du mich bitte entschuldigst... Wir sind heute morgen vor Tagesanbruch losgeritten, um Manpur noch zu erreichen.«
Eine Stimme in Laura riet ihr, zu warten, bis Ian sich ausgeruht hatte, aber sie konnte nicht noch einen weiteren Tag ertragen. Vielleicht würde die Nähe den Erfolg bringen wie schon zuvor.
Sie stand ebenfalls auf, ging um den Tisch und blieb neben ihm stehen. Behutsam legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Du hast mir gefehlt.« Erleichtert spürte sie sein Verlangen aufflammen. Es
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