Indische Naechte
in den Schwarzen Brunnen gebracht?«
Er zuckte die Schultern. »Ich hatte nicht einmal den Mut, zu meiner Feigheit zu stehen. Sobald ich meinen Spruch aufgesagt hatte, brachten sie mich in den Palast und holten einen Arzt. Ich wurde gewaschen, gefüttert und besser behandelt als in dem ganzen Jahr zuvor, obwohl ich solche Schmerzen hatte, daß ich kaum etwas bemerkte. Ich schwelgte drei ganze Tage lang in Selbsthaß, der genauso schlimm war wie die Aussicht, lebendig begraben zu werden — und ich wußte, nur der Tod konnte meine Schwäche wieder tilgen.
Dann kam Rahmin und sagte, der Emir freue sich darauf, mir seine Artillerie anzuvertrauen. Ich wußte, daß ich das niemals tun konnte, und so sagte ich, eher würde die Hölle kalt werden, als daß ich für den Emir arbeiten würde — daß ich meine Konversion zu-rücknähme und sie mich nun töten müßten. Rahmin wurde so wütend, daß ich schon glaubte, er würde mich augenblicklich niederstechen, denn Moslems hassen Häretiker oder wankelmütige Konvertierte noch mehr als Ungläubige. Aber er schaffte es, sich zu beherrschen. Ich nahm an, daß er seinen ursprünglichen Plan wieder aufnehmen wollte, da er ja nun gesehen hatte, wie ich im Anblick des offenen Grabes reagiert hatte.
Ich war überrascht, als man mich wieder in den Schwarzen Brunnen warf. Wahrscheinlich brauchte der Emir Zeit, sich eine hübsche Todesart auszudenken. Letztlich entschieden sie sich für eine öffentliche Hinrichtung.« Eine lange Pause entstand, bevor Ian das letzte, bebende Bekenntnis hervorbrachte. »Und so hatte Pjotr Andrejewitsch das Privileg, ein paar Monate später für meine Sünden zu sterben.«
Obwohl sie bezweifelte, daß irgendein Wort von ihr sein Schuldgefühl würde mildern können, sagte Laura: »Pjotr lag bereits im Sterben, und die Möglichkeit, daß du vielleicht entkommen könntest, verlieh seinem Tod einen Sinn.«
»Vielleicht, aber sein Mut vermindert nicht meine Feigheit oder meine Schuld«, sagte Ian mit einer Stimme, die wie tot klang. »Auch wenn ich nie ein großer Denker gewesen bin, war ich sicher, daß ich wie ein Mann sterben würde, wenn meine Zeit käme. Nicht unbedingt ohne Angst, aber doch mit Würde. Aber ich konnte es nicht... das einzige, was ich für nötig hielt, um der Mann zu sein, für den ich mich gehalten hatte — und ich brachte genau das nicht fertig.«
In gewisser Hinsicht konnte ihn Laura verstehen, auf der anderen Seite weckte seine Selbstqual in ihr den Wunsch, ihn heftig zu schütteln. »Und nun kannst du dir nicht verzeihen, daß du dich für einen kurzen Moment von Entsetzen und Panik hast überwältigen lassen, obwohl du ein paar Tage später gewillt warst, demselben Tod ins Auge zu blicken, der dich zuvor so erschreckt hat? Ich kann irgendwie nicht glauben, daß Gott dich dafür verstoßen wird.«
Er ließ ihre Hand los und rollte sich aus dem Bett, dann ging er durch den Raum. Im frühen Morgenlicht wurden die verstreuten Rosenblätter an den Rändern braun.
Er blieb am Fenster stehen, rieb sich die Schläfen und starrte blind hinaus. »Ich habe dir ja gesagt, daß es sich banal anhört. Zugegeben, es ist schwer, sich vorzustellen, daß ein Gott, der ein ganzes Universum geschaffen hat, sich um meine Fehltritte kümmert. Aber auch wenn es Ihn nicht interessiert — mich schon.«
Er trommelte mit den Fingern auf das Fensterbrett. »Ich habe nie großen Wert auf Religion gelegt - sie war einfach da, eine Pflicht, die man erfüllt, wenn nötig, und so oft wie möglich umgeht. Aber ich habe den Glauben meiner Vorfahren verleugnet und mich selbst verraten, und dadurch habe ich einen essentiellen Teil meines Wesens vernichtet. Und nun wollen die zerbrochenen Teile sich nicht wieder zusammenfügen.« Seine Stimme brach, und er holte tief und zittrig Luft. »Pjotr ist an meiner Statt gestorben. Meine Schwester und mein Schwager haben ihr Leben riskiert, um meines zu retten. So viel Mühe für einen Mann, der tot hätte sein sollen. Der gestorben ist, aber die Einzelheiten nicht so richtig hinbekommen hat.«
Was hatte Srinivasa gesagt? Er quält sich selbst, weil er sein Versagen wahrnimmt und es nicht als notwendigen Schritt auf seinem Weg erkennt. Unfähig, seinen Kummer noch länger zu ertragen, schlüpfte Laura aus dem Bett und ging zu ihm. »Es ist wahr, daß du nach allem, was du durchgemacht hast, nicht mehr der Mann sein kannst, der du einmal warst. Aber du hast die Fähigkeit, besser und stärker zu werden.«
»Hast
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