Indische Naechte
überall in Wallung.«
Seine Miene machte deutlich, was er meinte, und einen Augenblick lang war Laura versucht, die nächste Lektion ihres akzeptierten Kamas anzunehmen. Aber ihre Überlegungen vor dem Einschlafen ein paar Stunden zuvor waren noch so lebendig, daß sie schon herausplatzte, bevor sie noch darüber nachdenken konnte, ob sie die Frage überhaupt stellen sollte. »Ian, was ist mit dir in Buchara geschehen, das dich derart verfolgt?«
Seine Augenfarbe wandelte sich vom üblichen warmen Blaugrau zu der kalten stählernen Farbe der See im Winter. Leidenschaftslos antwortete er: »Du hast Pjotrs Tagebuch und meine Erzählungen. Das sollte dir eine Vorstellung davon geben, wie der Schwarze Brunnen war.«
»Ja, aber Einzelheiten kenne ich nicht.« Sie dachte an Srinivasas Worte und setzte hinzu: »Ich habe immer den Eindruck, daß damals etwas geschehen ist, was du dir selbst nicht vergeben kannst.« Dann fiel ihr der Teil von Pjotrs Tagebuch ein, der die meisten Fragen aufwarf. Zögernd fuhr sie fort: »Vielleicht ist es in der Zeit geschehen, wo man dich aus dem Kerker fortgeholt und so übel zugerichtet hat?«
Ihre Worte trafen und lösten eine Reaktion aus, die er nicht ganz verbergen konnte, obwohl er es versuchte. Einen Augenblick befürchtete sie, er würde aufstehen und gehen. Doch dann festigte sich seine Miene und wurde zu einer Maske ironischer Gleichgültigkeit. »Was ist bloß mit der Frau geschehen, um deren Hand ich angehalten habe? Diese bescheidene, wohlerzogene Frau, deren größtes Ziel es war, eine nonnenhafte Lady zu werden?«
»Sie hat einen Mann geheiratet, der sie ermutigt hat, ihrer russischen Natur freien Lauf zu lassen«, sagte Laura gelassen.
»Die Quittung habe ich bekommen«, erwiderte er trocken.
»Mag sein, aber ich finde, ich bin viel besser darin, meine Emotionen herauszulassen, als ich es in der Ausübung stoischer Ruhe war.« Sie stopfte die Kissen in ihren Rücken und lehnte sich dagegen. »Ich frage nicht aus simpler Neugier, Duschenka. Stück für Stück habe ich dir meine dunklen Geheimnisse enthüllt, und das Resultat war immer gut. Aber auch wenn ich dich inzwischen viel besser kenne, habe ich immer noch das Gefühl, daß mir ein wichtiger Schlüssel zu dem fehlt, was dich so gemacht hat. Wenn du es ertragen kannst, darüber zu sprechen, wird sich vielleicht die Finsternis ein wenig auflösen.«
Er schob die Kissen ebenfalls hinter seinen Rücken und lehnte sich neben sie an. Dann nahm er die Augenklappe, die er am Abend zuvor auf den Nachttisch hatte fallenlassen. Es war sicher kein Zufall, dachte Laura, daß er sie nun wieder anlegte: Er war wie ein Ritter, der nach seiner Rüstung griff.
»Was geschehen ist, war in gewisser Hinsicht so banal, daß es fast nicht erwähnenswert scheint«, begann er langsam. »Und darüber zu sprechen, wird mir kaum helfen. Manche Dinge, die zerbrochen sind, können nicht mehr geflickt werden, Larischka.«
»Möglich, aber wie kannst du da so sicher sein, daß es sich bei der Sache um so etwas handelt?«
Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und starrte an die gegenüberliegende Wand. Laura drängte sich der Gedanke auf, daß sie das Thema nicht hätte anschneiden sollen — zumindest nicht jetzt, wo sie gerade eine neue Art des Verständnisses gefunden hatten.
Sie hatte schon die Hoffnung auf eine Antwort aufgegeben, als er sagte: »Buchara wird als heilige Stadt angesehen, und es gibt dort erschreckend viel religiösen Fanatismus. Mehrmals sagte man mir, daß ich freigelassen werden und eine Stellung beim Emir bekommen würde, wenn ich mich nur bekehren ließe.« Sein sardonischer Blick glitt zu Laura hinüber. »Das Angebot schloß gewöhnlich ein oder zwei mollige, rosige Frauen ein. Weiß nicht, wie ich widerstehen konnte. Wahrscheinlich pure, schottische Kaltblütigkeit.
Die ersten Male wurde das Thema schnell fallengelassen, als ich ablehnte. Doch dieses eine besondere Mal wollte man keine ablehnende Antwort hinnehmen. Als ich mich wieder einmal weigerte, zu konvertieren , begannen drei Wachen unter der Anleitung eines kleinen quirligen Typs namens Rahmin auf mich einzuschlagen. Ich blieb bei meinem Nein, und sie schlugen weiter auf mich ein.«
Er nahm seine Hände hinter dem Kopf weg und legte sie auf die Decke. »Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, daß sie gleich drei Wachen für mich als erforderlich hielten. Mit auf den Rücken gefesselten Händen war ich wirklich kein ernstzunehmender Gegner. Mein
Weitere Kostenlose Bücher