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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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rechtes Auge wurde zerstört, mein linkes derart beschädigt, daß ich kaum noch etwas sehen konnte, ein paar Rippen gingen zu Bruch. Sie hatten besonderen Spaß daran, mir in die Genitalien zu treten. Daher war es nicht schwer, anzunehmen, daß ich auf Dauer impotent sein würde.«
    Ians leidenschaftslose Worte waren quälend. Laura spürte die Tränen in ihren Augen brennen, aber als er sie ansah und fragte, ob sie wirklich mehr hören wollte, nickte sie nur.
    »Ich wußte, daß ich sterben würde. Ich glaubte es nicht, ich wußte es. Meistens waren die Schmerzen so groß, daß ich hoffte, sie würden sich beeilen, damit es vorbei war. Ich wußte, daß das Ende nahe war, als sie mich nach draußen zerrten — gehen konnte ich nicht mehr. Auf einem Platz zwischen dem königlichen Palast und dem Gefängnis gab Rahmin mir eine Schaufel und sagte, ich solle mir mein eigenes Grab schaufeln. Dieser sadistische kleine Bastard amüsierte sich prächtig. Dann mußten die Wachen aber graben, denn zu diesem Zeitpunkt war ich dazu nicht mehr in der Lage. Als ein ausreichend großes Loch entstanden war, fragten sie mich noch einmal, ob ich es mir nicht überlegen und zu den Gläubigen übertreten wollte.«
    Ians Stimme war immer noch unnatürlich ruhig, aber seine Fingernägel gruben sich in die Decke. »Wie du dir sicher denken kannst, hatte ich inzwischen meine Begeisterung, ein Bucharer zu werden, gänzlich verloren, und so sagte ich einmal mehr nein und fügte noch ein paar kindische Beleidigungen an, die unter anderem die Wahrscheinlichkeit einschloß, daß ihre Mütter sich mit Wildschweinen gepaart hatten. Rahmin stieß mich ins Grab, und ich dachte: >Endlich ist es vorbei. Ich habe mir meine Würde nicht nehmen lassen, und bald weiß ich, wessen Ansichten über Himmel und Hölle die richtigen sind.< Ich war bereit zu sterben. Verdammt froh sogar.«
    Er brach ab, und seine Brust hob und senkte sich heftig. Laura biß sich so heftig auf die Lippe, daß sie den metallischen Geschmack des Blutes wahrnehmen konnte. Sie legte ihre Hand auf die seine, und er faßte sie und drückte so fest zu, daß es weh tat. »Eine der Wachen hatte ein Jezzail, einen von diesen asiatischen Vorderladern mit langem Lauf. Er entsicherte die Waffe und hielt sie ein paar Zentimeter von mir entfernt auf meinen Kopf gerichtet. Ich freute mich -es würde schneller und etwas sauberer gehen, als von einem Schwert zerhackt zu werden, was wahrscheinlich die Alternative gewesen wäre.
    Aber Rahmin hatte eine bessere Idee. Er befahl dem Mann, nicht zu schießen. Statt dessen...« Ian hielt wieder inne, und die Ader an seinem Hals pulsierte heftig. »Statt dessen benutzte die Wache den Kolben, um mich niederzuprügeln. Dann fingen sie an... mich lebendig zu begraben. Der Boden war locker und sandig und ließ sich leicht lösen. In diesem Augenblick bin ich zusammengebrochen.«
    Er schluckte ein paarmal. »Ich hatte viele Male zuvor Angst gehabt - aber dieses Geschehen lag jenseits der Angst. Es war eine so tiefe Panik, daß sie alles andere verdrängte. Es gab keinen Platz mehr für Stolz oder Wut, nur pures Entsetzen. Nicht weil ich sterben würde, sondern weil ich wußte, wie es vor sich gehen würde. Der Gedanke daran, lebendig begraben zu sein... unter der Erde zu ersticken... das Gewicht des Sandes, die Finsternis zu spüren, trotzdem noch zu leben...«
    Er brach ab und schwieg eine lange Zeit. Als er endlich weiterredete, war seine Stimme erneut ohne Emotion. »Ich war völlig vernichtet, am Ende. Ian Cameron starb in diesem Moment. Schade ist nur, daß sein Körper nicht ebenfalls gestorben ist.«
    Seine unmenschliche Reglosigkeit jagte Laura einen Schauder über den Rücken. »Du bist nicht gestorben«, sagte sie weich.
    »Nein, bin ich nicht«, stimmte er zu. »Und dadurch habe ich gelernt, daß manche Dinge zu teuer erkauft sind. Ich schrie, ich weinte, ich bettelte, kroch. Ich sagte, ich würde alles tun, was sie wollten. Wenn sie Pjotr herausgebracht und mir befohlen hätten, ihn zu erschießen, hätte ich es getan. Statt dessen sagten sie nur, ich solle konvertieren. Das ist sehr leicht. Man muß nur die Schahada, das moslemische Glaubensbekenntnis, aufsagen. >Ich bezeuge, daß es keinen Gott außer dem einen gibt, ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist.< Ich tat es.«
    Er drückte ihre Hand so fest, daß ihre Finger taub wurden, doch sie wollte sie nicht wegziehen. »Wenn du doch konvertiert bist, warum haben sie dich dann wieder

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