Indische Naechte
Wissen über Rajiv Singhs Pläne es ihr schwermachen würde, sich natürlich zu verhalten, aber die Maharani zerstreute ihre Bedenken. Nachdem sie ihre Dienerin entlassen hatte, zog sie Laura auf das Kissen neben sich. »Selbst wenn du mir keine Nachricht geschickt hättest«, sagte sie lächelnd, »wüßte ich, daß dir der Wunsch deines Herzens erfüllt worden ist.«
Laura errötete und nickte. »Deine und Meeras Vorschläge waren großartig. Ganz besonders beeindruckend waren die Rosenblätter.«
Die Maharani machte eine abwehrende Geste. »Wozu ist ein Garten gut, wenn er nicht einer Freundin Freude machen kann?«
Zwischen Lachen und Weinen brachte Laura hervor: »Du wirst mir fehlen, Kamala.«
»Du mir auch.« Schüchtern setzte die Maharani hinzu: »Wirst du mir schreiben?«
»Aber natürlich«, erwiderte Laura herzlich. »Es wird meinem Persisch guttun. Und vielleicht kommen Ian und ich eines Tages auf einen Besuch zurück. Jedes Jahr wird das Reisen leichter.« Dann schwieg sie. In einem Jahr konnten die Briten durchaus nicht mehr in Indien sein. Oder Rajiv Singh und Kamala würden tot sein - vielleicht auch im Exil.
Kamala verstand nicht, warum ihre Freundin so traurig aussah, und sagte: »Auch ich weine in meinem Herzen. Eine Königin hat viele Untertanen, aber wenig Freunde.« Sie nagte an ihrer Lippe, bis sie plötzlich hastig die Worte hervorsprudelte: »Ich sollte nicht davon reden, bevor ich absolut sicher bin, aber ich muß mich einfach jemandem anvertrauen.«
Guter Gott, wußte Kamala von den Plänen ihres Mannes? Hin- und hergerissen zwischen Freundschaft und Patriotismus antwortete Laura behutsam: »Wenn es ein Staatsgeheimnis ist, sollte ich es besser nicht erfahren.«
Kamala lächelte sie strahlend an. »Es ist kein Staatsgeheimnis. Es ist mein Herzenswunsch.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern. »Laura, ich glaube, ich trage ein Kind unter dem Herzen. Srinivasa hat irgendwann mal gesagt, es könnte passieren, aber ich fürchte mich, zu hoffen.«
Laura brauchte einen Augenblick, um ihre Gedanken umzuorientieren. Dann sagte sie erfreut: »O Kamala! Nach so vielen Jahren? Das wäre ja herrlich!«
»Ich wage es noch nicht, jemandem davon zu erzählen, denn es würde Rajiv Singh das Herz brechen, wenn ich mich irre.« Die Maharani lächelte entwaffnend. »Ich bin eine alte Frau, aber nicht zu alt, um ihm noch einen Sohn zu schenken.«
»Alt? Du?« Laura lachte. »Du bist die Verkörperung weiblicher Schönheit. Vielleicht kannst du ja sogar noch viele Kinder bekommen. Hat Srinivasa dazu etwas gesagt?«
Kamalas Gesicht wurde ernst. »Er sagte — und das ist sehr ungewöhnlich -, daß diese Sache unter einem Schleier verborgen ist und mehr als eine Möglichkeit zuläßt. Ich habe ihn übrigens noch nach dir und deinem Mann gefragt, weil du so besorgt warst.« Sie nahm die Hand ihres Gastes. »Eurer beider Zukunft ist ebenfalls dicht verhüllt«, sagte sie ernst. »Paß auf dich auf, Laura.«
»Und du auf dich, Kamala«, antwortete Laura mit einem Kloß in der Kehle. Sie stand auf und umarmte die Maharani fest.
»Ich werde für uns beide beten, meine Freundin«, sagte die Maharani.
Als Laura ging, standen ihr Tränen in den Augen. Sie hoffte inbrünstig, daß die Entwicklung der Lage es ihnen beiden nicht unmöglich machte, ihren Herzenswunsch erfüllt zu sehen.
Kapitel 31
Meera schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Es schickt sich nicht für eine Memsahib, sich wie ein indischer Bursche zu kleiden.«
»Dann hoffen wir, daß niemand Verdacht schöpft, eine Memsahib könnte auf so eine abwegige Idee kommen«, sagte Laura.
Sie hatte bereits weite Hosen und leichte Stiefel an und zog nun zwei riesige Hemden übereinander an, die sie mit einer Schärpe um die Taille befestigte. Obwohl sie ihre Brüste mit einem engsitzenden Unterhemd flacher gemacht hatte, wußte sie nun, was Ian mit seiner Bemerkung gemeint hatte, ihr Körper ließe sich nicht leicht in den eines Jungen verkleiden. Zum Glück war es Spätherbst; wenn sie ein paar lockere Umhänge übergezogen hatte, konnte man ihr Geschlecht bestimmt nicht mehr erkennen.
In der kühlen Luft fröstelnd, legte sich Laura auch den letzten Umhang über. Sie hatten den königlichen Palast noch vor Anbruch der Dämmerung verlassen und waren südwärts in Richtung Bombay geritten. Fünf Meilen von der Stadt entfernt, hatten sie ihre Pferde ins dichte Unterholz gelenkt, wo sie und Ian ihr Aussehen veränderten. Meera hatte Laura geholfen,
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