Indische Naechte
die Haut dunkel zu färben und ihr das Haar in festen Zöpfen als Krone um den Kopf gelegt.
Den Turban zu wickeln, erwies sich als tückisch; man brauchte Übung dazu, die sie nicht besaß. Zum Glück hatte sie in ihrem Gepäck auch noch eine Burqa, die sie überstreifen konnte, wenn sie durch Städte kamen. Klüger wäre es gewesen, sie die ganze Zeit zu tragen, aber eine Burqa war ein schreckliches, alles verhüllendes Kleidungsstück, in dem man nur durch einen kleinen, mit einem Netz bedeckten Ausschnitt sehen konnte, und sie wollte sie lieber vermeiden, wann immer es möglich war.
Laura schob ein Messer in einer Scheide in ihre Schärpe, dann hängte sie sich das Gewehr über die Schulter. »Wie sehe ich aus, Meera?«
Meera schnalzte wieder mit der Zunge und schüttelte bedächtig den Kopf, so daß Laura schon dachte, es könnte nicht funktionieren. Doch dann sagte das Mädchen: »Ich würde dich nicht mehr für einen Ferengi oder eine Frau halten. Hier, sieh selbst im Spiegel.«
Laura hielt den Atem an, als sie ihr Abbild in dem Handspiegel sah. Mit ihren schrägen Augen und der dunklen Haut sah sie wirklich asiatisch aus. Das gefärbte Gesicht machte sogar die Augen dunkler, und sie fragte sich, von welchem mongolischen Vorfahren sie wohl ihre Augen geerbt hatte. Vielleicht von einem Tatarenkrieger, der eine slawische Frau vergewaltigt hatte? Europa und Asien trafen sich in Rußland - und in Laura. Für die nächsten zwei Wochen mußte sie sich das zunutze machen und als Asiatin denken.
»Sehen wir mal, was die Männer erreicht haben«, sagte Laura. Sie kämpften sich durch das Unterholz zu der Lichtung, wo die Pferde standen, und Laura versuchte, wie ein Mann zu gehen. Auf der Lichtung waren Zafir und ein anderer Inder dabei, das englische Zaumzeug der Pferde durch indisches zu ersetzen.
Laura blinzelte. Obwohl sie wußte, daß der andere Mann Ian war, hätte sie ihn niemals erkannt, wenn sie ihm auf der Straße begegnet wäre. Er hatte nicht nur Hautfarbe und Kleider verändert, sondern auch sein ganzes Benehmen. Er hatte nicht mehr die Haltung eines Offiziers, bewegte sich nicht einmal mehr wie ein Europäer, obwohl sie den Unterschied nicht hätte definieren können. Er hatte sogar seine schwarze Augenklappe ausgetauscht und trug nun eine gröbere aus braunem Leder, die fast die Farbe seiner Haut hatte. Selbst die Farbe seines Auges schien anders, weniger blau, eher nach dem Grau, das man manchmal bei hellhäutigen Asiaten fand.
Ian wandte sich um und musterte Laura kritisch. »Nicht schlecht«, sagte er schließlich, »solange du niemandem zu nahe kommst. Du siehst nach einem Gharhwali aus.«
»Wer sind die Gharhwalis?«
»Ein Stamm am Fuß der nepalesischen Berge. Sie haben ziemlich viel mongolisches Blut, sind allerdings ein bißchen kleiner und leichter gebaut als Ghurkas.« Er lachte in sich hinein. »Wenn jemand deine Erscheinung in Frage stellen sollte, werde ich behaupten, die Gharhwalis wären auch bekannt für ihre hübschen mädchenhaften Gesichter. Ich kann mir kaum denken, daß jemand es besser weiß, da man Leute dieses Stammes hier selten antrifft.«
Laura überprüfte das Gepäck. Wenn sie bisher auch daran gewöhnt gewesen war, mit leichtem Gepäck zu reiten, hatten sie nun ihre Ausrüstung auf das Lebenswichtige reduziert. Das meiste nahm Zafir mit und würde es bei Habibur lassen, während sie nur die nötigsten Lebensmittel und Munition dabeihatten. Nichts konnte sie in dieser Hinsicht als Europäer identifizieren.
Dann war es Zeit, Abschied zu nehmen. Die Männer schüttelten sich die Hände und tauschten noch ein paar Worte aus. Laura umarmte Meera fest und wünschte ihr alles Gute, dann schwangen sie sich auf ihre Pferde. Als sie durch die Bäume brachen, fühlte sie sich verletzlich, ihrer Identität beraubt. Ian schien einmal mehr ihre Gedanken lesen zu können. »Es ist noch nicht zu spät, dich anders zu entscheiden, Laura. Wenn du dich zu unwohl fühlst, dann vergiß deinen Stolz und sag es.«
Sie schenkte ihm ein ganz unbekümmertes Lächeln. »Den Ausflug will ich nicht im Traum verpassen, Duschenka. Nach ein paar Nächten im Himalaja, wird mir dein zugiges Schloß so luxuriös wie Rajiv Singhs Palast Vorkommen.«
»Mehr Mumm als Verstand«, murmelte er resigniert, aber der Respekt, den sie in seinen Augen sah, wärmte ihr Herz. Sie war glücklich, daß sie darauf bestanden hatte, mit ihm zu gehen. Was auch immer passierte, sie würden es wenigstens gemeinsam
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