Indische Naechte
erleben.
Als Meera nach dem Frühstück die Sachen zusammenräumte, warf sie einen angewiderten Blick auf ihr Pony. Obwohl sie sich inzwischen an die langen Ritte gewöhnt hatte, war ihr Tempo die letzten Tage mörderisch gewesen. In dieser Hinsicht war sie froh, wenn sie endlich Habiburs Anwesen erreichten, aber nur in dieser.
Sie warf Zafir einen Blick zu, der das Packtier belud. Diese hastige Reise schuf eine seltsame Intimität zwischen ihnen, denn sie benahmen sich fast so wie ein Ehepaar, das seine Aufgaben kannte und wo sich einer auf den anderen verlassen konnte. Doch es gab keine andere Art der Nähe, denn Zafir war zurückhaltend und nicht mehr der lustige, unbekümmerte Mann, in den sie sich verliebt hatte.
Sie kam auf die Füße und suchte den Boden ab, ob sie nicht vielleicht etwas vergessen hatte. Es war ein hübscher kleiner Lagerplatz, beschützt durch hohe Bäume und ein gutes Stück von der Straße entfernt. Es war die letzte Möglichkeit, allein zu sein. Sie ging zu Zafir hinüber und sagte: »Wir werden heute bei Habibur eintreffen?«
Er nickte. »Kurz nach Mittag wahrscheinlich.«
»Wirst du über Nacht bleiben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, kleine Taube. Ich würde es gern, aber ich kann mir die Zeit nicht nehmen. Die Lage ist ernst, und ein halber Tag könnte wichtig sein.«
Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß, wie ernst die Lage sein muß, denn du hast nicht mehr versucht, mich zu verführen, seit wir Manpur verlassen haben.«
Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit geweckt. Er blickte sie an. »Es wäre nicht sehr ehrenhaft, es zu versuchen, während du unter meinem Schutz stehst. Außerdem hast du ja deutlich gemacht, daß du bis zum Ehebett warten willst.«
Sie hob den Kopf und sah ihn ernst an. »Da war ich aber auch noch sicher, daß wir ein Ehebett haben würden. Aber nun nicht mehr. Du bist Soldat. Du könntest getötet werden.«
»Das ist möglich«, gab er zu. »Die Gefahr gehört zu meiner Aufgabe, kleine Taube. Wenn es zum Krieg kommt, muß ich sofort zu meinem Regiment zurück. Aber wenn mir irgend etwas zustößt, wirst du bei meinem Onkel einen Platz haben, solange du willst. Wenn du zu deinem eigenen Volk zurückgehen willst, werden mein Onkel und meine Tante dir helfen.«
»Es ist nicht mein Volk, bei dem ich sein will«, sagte sie heftig. »Bei dir will ich sein!«
Sie ging näher zu ihm und legte ihm ihre Hand auf den Arm. »Vielleicht hast du keinen halben Tag Zeit, aber doch bestimmt eine Stunde?«
Er starrte sie an und begriff, daß seine reizende kleine Taube etwas vorhatte. Und mit ihrem nächsten Satz machte sie ihm klar, was. »Gib mir etwas, an das ich mich erinnern kann, Geliebter«, flüsterte sie und schlang ihm die Arme sanft um den Hals.
Er brauchte keine zweite Einladung. All die Neckerei, das Flirten, die Leichtigkeit verschwanden aus ihrer Beziehung und ließ nur noch das dringende Verlangen von Mann und Frau, sich zu vereinen. Und als er sie küßte, wußte er, daß dies der wahre Grund war, in den Krieg zu ziehen. Nicht für Ruhm oder Reichtum, so verlockend die Dinge auch sein mochten, aber aus Zärtlichkeit und Liebe, aus dem Bedürfnis, Heim und Frau zu beschützen, und, wenn es sein mußte, auch mit dem eigenen Leben.
Als er sie ins Gras legte, erkannte er, daß dies genauso wichtig war wie die Nachricht, die er zu überbringen hatte. Falkirk Sahib würde einem Mann keine Stunde verwehren, wenn es vielleicht die einzige Stunde war, die er haben würde.
Steif verlagerte Laura ihr Gewicht im Sattel und mußte innerlich zugeben, daß Ian recht gehabt hatte, als er sagte, sie würden sehr viel reiten. Dies war ganz bestimmt nicht so nett und angenehm wie ihr >Übungsritt< am letzten Nachmittag im Palast. Obwohl noch keine Woche verstrichen war, schien ihr Dharjistan schon wie eine andere Welt.
Zudem hatte Ian Laura beim Wort genommen, die gesagt hatte, sie könnte so gut wie jeder Mann reiten, und ihr Tempo war mörderisch. Sie überquerten die flachen, staubigen Ebenen des Punjab ohne Zwischenfälle. Wenn sie gelegentlich durch eine größere Stadt kamen, streifte Laura die Burqa über und erregte dadurch überhaupt keine Aufmerksamkeit.
Manchmal suchte Ian das Gespräch mit Dorfbewohnern oder anderen Reisenden und entlockte ihnen geschickt Informationen, ohne besonders neugierig zu wirken. Die Nachricht von der britischen
Niederlage in Afghanistan hatte sich schon verbreitet und war häufig Thema von Diskussionen. Der Punjab hatte
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