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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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nie unter direkter britischer Herrschaft gestanden, so daß die Einwohner sich nicht besonders betroffen fühlten, aber die meisten zogen eine gewisse hämische Befriedigung aus der Niederlage der Ferengis.
    Sie waren ebenfalls neugierig darauf, wie der Sirkar wohl reagieren würde. Laura, die zuhörte, ohne zu reden, konnte selbst feststellen, wie kritisch die Lage war. Wenn die britische Seite nun Schwäche zeigte, konnte das eine ganze Lawine des Widerstandes auslösen.
    Nach drei Tagen scharfen Reitens hatten sie die felsigen Berge erreicht. Es war das ödeste Land, das Laura je gesehen hatte, so karg, daß man sich nur schwer vorstellen konnte, wie jemand hier überleben wollte. Die Berggipfel waren schneebedeckt, alles andere schien aus Felsen und Geröll zu bestehen. Nur die anspruchslosesten Pflänzchen klammerten sich hier und da an ihre kümmerliche Existenz. Kein Wunder, daß die Pathanen Banditen waren. Seit Jahrhunderten bestand ihr Lebensunterhalt aus dem, was sie den Reisenden als Wegzoll abnahmen.
    Den wenigen Angaben Pjotrs folgend, waren Ian und Laura von der Hauptstraße, die durch den Khyber-Paß führte, südlich abgebogen. Nun gab es keine Hinweise mehr, und sie waren auf sich allein gestellt. Auch wenn sie sich höchstens ein paar Meilen vom östlichen Ende des Shpola-Passes befinden mußten, würde es Monate oder Jahre dauern, bis sie ihn fanden, wenn ihnen niemand half. Sie brauchten also einen Ortskundigen, der sie dorthin führte.
    Die Schwierigkeit dabei war nur, diesen Führer zu finden, bevor der Paß von einer Lawine Afghanen überschwemmt wurde.
    Zafir traute kaum seinen Augen, als er im dämmrigen Abendlicht neben der Straße ein Lager der Kavallerie entdeckte. Er blinzelte im trockenen Punjabi-Wind, um die Banner zu erkennen. Gelobt war Allah: Es war das 39. Ulanen-Regiment, dessen Hauptquartier sich in Cambay befand. Es war schade, daß Zafir keine Freunde in diesem Regiment hatte, dennoch konnte es nicht schwer sein, seine Identität zu beweisen. Auf ein Kavallerie-Regiment zu treffen, das bereits auf dem Weg nach Nordwesten war, bedeutete, mehrere Tage wertvoller Zeit zu sparen.
    Zafir ritt also zum Lager, und als die Wachen ihn anhielten, gab er sich als Sepoy des 46. Eingeborenen-Infanterieregiments zu erkennen und verlangte, zum Kommandeur geführt zu werden. Die Wache grollte: »Glaubst du, wir lassen zu, daß jeder hergelaufene Rüpel den Colonel belästigt? Verschwinde schon.«
    Das hatte Zafir nicht erwartet, und einen zornigen Augenblick war er versucht, sich mit seiner Waffe den Weg zu erzwingen. Doch die Disziplin siegte, und er schaffte es, sein Temperament zu zügeln. »Du Mißgeburt von Schwein und Skorpion, ich stehe unter dem Befehl von Major Ian Cameron und halte die Zukunft Indiens in meinen Händen! Hol sofort einen Offizier!«
    Die Wachen besprachen sich, und Zafir hörte mehrmals den Namen >Cameron< fallen. Ein Mann ging, und der andere sagte: »Wir werden sehen, ob du die Wahrheit sagst. Du bleibst genau hier, und laß bloß die Hände von dem Jezail.«
    Zehn unendliche Minuten schritt Zafir ruhelos auf und ab. Dann erklang eine befehlsgewohnte Stimme: »Du hast eine Botschaft von Major Cameron?«
    Unendlich erleichtert erkannte Zafir die Stimme. Er wandte sich um und sah David Cameron auf sich zukommen.
    Der Captain erkannte ihn im gleichen Moment. »Zafir - du bist es wirklich! Ist meinem Bruder irgend etwas passiert?«
    »Er war bei bester Gesundheit, als wir uns trennten, Huzar, und wenn Allah gnädig ist, wird er es immer noch sein.« Zafir zog die Papiere unter seinem Hemd hervor. »Hier ist die Botschaft des Majors. Ich sollte sie erst Ihnen, dann General Rawdon bringen.«
    Der Captain faltete das Blatt auf und überflog die Worte im Licht der Wachlaterne, und seine Miene verhärtete sich. Als er fertig war, sagte er: »Komm, Zafir. Wir haben Glück. General Rawdon ist mit dem 39. unterwegs.«
    »Jawohl, Huzar.« Als sie außer Hörweite waren, fragte Zafir: »Warum sind Sie beim 39. statt beim 46.?«
    »Weil ich in Afghanistan war und Pashto sprechen kann. Kein anderer Offizier des 39. hat die Erfahrung, also wurde ich für eine Zeit diesem Regiment unterstellt«, erklärte der Captain. »Vor ein paar Tagen haben wir in Cambay von dem Massaker erfahren, und davon, daß Fort Jallalabad belagert wird. Statt auf Befehle aus Bombay zu warten, entschloß sich General Rawdon, sofort für Verstärkung zu sorgen. Außerdem sind noch verschiedene

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