Indische Naechte
Vorkommen.«
»Komm her. Ich wärme dich auf«, sagte Ian.
Sie sah ihn zweifelnd an. »Jetzt? Hier?«
Er lachte. »Was hast du nur für schmutzige Gedanken. Ich meine es buchstäblich, nicht als freundliche Umschreibung.«
Ian saß auf einem niedrigen Fels, und Laura setzte sich nun auf den Boden zwischen seine Beine und kuschelte ihren Rücken an ihn. »Hmm, schon viel bequemer.« Mit einem zufriedenen Seufzer entspannte sie sich an seinem warmen Körper. »In Manpur hast du erwähnt, daß du als politischer Offizier gearbeitet hast. Was genau bedeutet das eigentlich?«
Er trank den Tee aus und stellte die Blechtasse ab, dann schlang er die Arme um ihre Taille. »Politische Offiziere arbeiten direkt mit den Einheimischen zusammen, einerseits, um die Beziehungen zu festigen, andererseits, um Informationen zu bekommen, was die Menschen tun und denken. Oft werden diese Offiziere aus der Armee geholt. Die Besten können als Eingeborene durchgehen.«
Laura nickte verstehend. »Mit deiner Kindheit in Persien und deinem Sprachentalent scheinst du für diese Art Arbeit geboren zu sein.«
»Was die Fähigkeiten angeht, ja, vom Temperament her nicht«, sagte Ian ruhig. »Ein großer Teil der Arbeit dreht sich wirklich ums Spionieren. Obwohl ich das ziemlich gut hinbekam, machte es mir keinen Spaß, mich ein ganzes Leben lang zu verbergen und zu verstellen. Immer wenn mich der Leiter des politischen Dienstes fragte, ob ich nicht auf Dauer einsteigen wollte, lehnte ich ab. Auf der anderen Seite fand ich das Leben eines Armeeoffiziers — ein paar Stunden Drill, viele Stunden Sport und Jagd und Klatsch — ein wenig ermüdend. Das ist der Grund, warum sich so viele Offiziere dem unmäßigen Konsum von Alkohol und Drogen hingeben. Das ist nicht sehr sinnvoll, denn Indien neigt dazu, die Unmäßigen ziemlich schnell umzubringen. Also meldete ich mich jedesmal, wenn ich meine Rastlosigkeit spürte, zum politischen Dienst, weswegen ich schließlich im Schwarzen Brunnen landete.« Seine Stimme wurde wieder etwas leichter. »Das nächste Mal, wenn ich unruhig werde, gehe ich lieber schwimmen.«
Fasziniert von diesem neuen Aspekt seines Wesens, sagte Laura: »Ich kann mich nicht entscheiden, ob du ein Mann von natürlicher Direktheit mit einem Hang zur Verschlagenheit bist, oder eher ein verschlagener Kerl mit einer Ader zwanghafter Aufrichtigkeit.«
Er lachte in sich hinein. »Irgend etwas dazwischen.«
Eine lange Weile saßen sie schweigend beieinander und sahen in das kleine Feuer. Als es zur Glut abbrannte, legte Laura ihren Kopf an seine Schulter. »Zum ersten Mal heute ist mir nicht mehr kalt.«
»Heute nacht wird es frieren«, sagte er. »Wir haben zwar genug Holz, um das Feuer in Gang zu halten, aber wir sollten um der Sicherheit willen trotzdem zusammen schlafen.«
Als sie sich ein bißchen versteifte, setzte er hinzu: »Nur schlafen.« Er drückte sie fester an sich, aber die Umarmung war mehr beschützend als leidenschaftlich. »Du fühlst es auch, nicht wahr? Daß unter diesen Bedingungen, mit der Drohung des Krieges über Indien, zuviel Freude fehl am Platz wäre.«
»Ja, genau das«, erwiderte sie, erstaunt, wie gut er ihre Gefühle getroffen hatte. »Wenn ich persönlich mit dem Tod bedroht wäre, würde ich wahrscheinlich in der verbleibenden Zeit so oft wie möglich mit dir schlafen. Aber dies hier ist etwas anderes.«
»>Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde<«, zitierte er weich. »>Töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit.< Ich habe die exakte Reihenfolge vergessen, aber >herzen hat seine Zeit< und >aufhören zu herzen< kommt irgendwie drin vor.«
Laura kramte in ihrer Bibelstundenerinnerung aus der Kindheit und beendete die berühmte Passage: »>Lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Frieden hat seine Zeit.<« Nach einer Weile setzte sie hinzu: »Der tanzende Shiva meint das gleiche, nicht wahr? Das Leben ist ein unendlicher Kreis.« Ian stimmte zu, und sie fuhr fort: »Ich bin froh, wenn die >Zeit des Friedens< wieder eintritt, ganz abgesehen von der >Zeit der Liebe<, aber ich freue mich auch darüber, dich endlich einmal in Aktion zu sehen. Nicht viele Ehefrauen bekommen eine solche Gelegenheit.«
»Die meisten würden sie nicht wollen«, antwortete er trocken. »Wirklich, das ist vielleicht eine Hochzeitsreise, die ich da für dich arrangiert habe. Seit wir uns kennengelernt haben, wird dein Lebensstandard reduziert,
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