Indische Naechte
Infanterieregimenter, das 46. eingeschlossen, unterwegs, aber natürlich ein paar Tage hinter uns.«
»Möge Allah Rawdon Sahib beschützen«, sagte Zafir feierlich.
»Ich war nicht glücklich darüber, von meinen Männern getrennt zu werden, aber offenbar scheint sich das nun doch als die beste Lösung herauszustellen.« Der Captain sah auf die Nachricht in seinen Händen und schüttelte den Kopf. »Typisch für Ian. Er geht auf Hochzeitsreise und findet dabei ein Hornissennest.«
General Rawdon machte seinem Ruf als entschlossener Mann alle Ehre, indem er nach Lesen der Botschaft sofort die nötigen Befehle gab. Am nächsten Morgen sollte als erste eine Abordnung der Kavallerie in Höchstgeschwindigkeit zur Grenze reiten, um den Shpola-Paß zu lokalisieren und zu schließen. Auf David Camerons Bitte hin wurde ihm das Kommando übertragen.
Hinter der Biegung des Pfades kamen sie in ein weiteres kleines Pathanendorf, das aus kaum mehr als einem halben Dutzend Hütten bestand. Laura überlegte, ob sie die Burqa überziehen sollte, doch es war zu spät, denn ein Mann hatte sie bereits entdeckt. Sie ließ sich im Sattel zusammensinken und versuchte, müde und unauffällig auszusehen. Müde war nicht schwer. Sie hatten die letzten Tage ohne Erfolg nach einem Führer gesucht, und obwohl jeder, den Ian nach dem Paß gefragt hatte, etwas davon gehört hatte, konnte oder wollte ihnen niemand genaue Auskunft geben.
Der Pathane, der sie gesehen hatte, saß auf dem Boden, müßig an eine Lehmwand gelehnt, und schärfte ein bösartig aussehendes Messer. Als die Fremden ihre Pferde zügelten, stand er auf und schlenderte auf die Straße. Seine Miene war nicht unfreundlich, aber seine Flinte lag über seinem Arm. Inzwischen hielt Laura es für wahrscheinlicher, einen nackten Pathanen zu sehen, als einen ohne Jezail.
Ian nickte höflich und grüßte den Mann. »Mögest du niemals ermüden.« Sein Bart wuchs schnell, und nach einer Woche ohne Rasur wirkte er wie ein echter Bergbewohner, und nur ein paar Kleinigkeiten an seiner Kleidung kennzeichneten ihn als Punjabi. Da er lieber wie ein friedlicher Mensch wirken wollte, als einer, der Ärger sucht, hatte er sein Gewehr am Sattel befestigt.
»Möge dich niemals Armut heimsuchen«, erwiderte der Dorfbewohner.
Statt ihn direkt zu befragen, begann Ian erst einmal eine ausgedehnte Unterhaltung. Zum Glück sprach der Mann eine Form des Urdu. Wenn Ian auch fließend Pashto konnte, sprach er doch, wann immer es möglich war, Urdu, damit auch Laura dem Gespräch folgen konnte. Nachdem er die beiden Lieblingsthemen — Politik und Wetter — angeschnitten und zugestimmt hatte, daß beides nicht mehr wie früher war, sagte Ian, was er wollte. »Sage mir, Bruder, kennst du einen kleinen Paß durch die Berge hier in der Nähe? Ich habe gehört, er hieße Shpola-Paß, aber er kann andere Namen haben.«
Die Augen des Pathanen verengten sich. »Es ist kaum ein Paß... eher ein Übergang für Murmeltiere, weswegen er fast nicht benutzt wird. Wenn ihr durch die Berge wollt, nehmt den Khyber. Nur um ein paar Münzen zu sparen, ist es das Risiko über den Shpola nicht wert.«
»Wir müssen dort hin.« Ian berührte seine Augenklappe und begann die Geschichte zu erzählen, die sie sich ausgedacht hatten. »Ein Hakim , ein Doktor, hat mir gesagt, er könnte mir eine Salbe machen, mit der ich mein Augenlicht wiederbekomme, aber er braucht Kräuter dazu, die nur auf dem Shpola-Paß wachsen. Ein Winterkraut, winzig und bitter.«
»Und du hast ihm geglaubt?« Der Mann schnaubte verächtlich. »Auf dem Shpola-Paß wächst fast gar nichts, und von Zauberkräutern habe ich noch nie gehört.«
Ian machte ein beschämtes Gesicht. »Wahrscheinlich hast du recht, aber... na ja, da ist diese Frau, die ich heiraten will. Sie mag mich auch, bis auf die Sache mit dem Auge. Will nur einen Mann mit zwei Augen nehmen. Kein anderer Hakim hat mir Hoffnung gemacht. Die Reise war lang und wohl eine Zeitverschwendung.. . aber die Frau ist sehr schön.«
Der Pathane stieß ein heiseres Lachen aus. »Wenn du vor Liebe verrückt genug bist, dann könnte ich den Weg hinauf vielleicht finden.«
Ian hatte den Wink verstanden, wühlte eine Münze aus seiner Tasche und warf sie dem Mann zu. »Möge Allah dich segnen, Bruder.«
Zum ersten Mal warf der Pathane Laura einen Blick zu. »Ein hübscher Junge. Woher stammt er?«
»Ein Gharhwali von den Bergen im Osten. Nicht sehr helle, aber ein verläßlicher Diener. Er
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