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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Camp. Nachdem sie eine Reihe mondbeschienener Felder passiert hatten, kamen sie an den Rand eines dichten Waldes, der sich, so weit das Auge reichte, vor ihnen erstreckte.
    Der junge Führer hielt an und zeigte auf den Wald. »Folgen Sie dem Pfad, dann kommen Sie zu Stephenson Sahibs Lager. Ich gehe nicht weiter, denn Panther jagen dort nachts.«
    Ian konnte dem Jungen keinen Vorwurf machen; er selbst war auch nicht scharf darauf, mitten in der Nacht allein durch diesen Wald zu reiten, obwohl wilde Tiere ihm weniger Sorgen machten, als die Tatsache, die mondhelle Landschaft hinter sich zu lassen. Aber schließlich hatte er gelernt, daß die
    Dunkelheit erträglich war, wenn er sich in frischer Luft befand, also dankte er dem Burschen, biß die Zähne zusammen und trieb sein Pferd in die Finsternis voran. Sehr bald schon würde er seine Mission erfüllt haben und konnte nach Hause zurückkehren.
    Laura bekam keine Zeit zu trauern. Sie kniete noch neben dem Bett ihres Stiefvaters, als Padam sagte: »Miss Laura, der Tiger ist in der Nähe. Wir hören sein Gebrüll im Wald.«
    Für Laura war die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmolzen, und der Schmerz, den sie wegen Kenneths Tod fühlte, brachte ihr den Schmerz und den Kummer wieder nah, den sie beim Tod ihres ersten Vaters empfunden hatte. Sie war wieder neun Jahre alt, entsetzt und voller Furcht, und es dauerte eine Weile, bis Padams Stimme zu ihr durchdrang und sie in die Realität zurückholte. Sie wünschte, er würde sie alleinlassen. Was zählte ein Tiger, wenn die einzige Person, die sie auf der Welt geliebt hatte, tot war?
    Doch Padam sprach eindringlich weiter. »Stephenson Sahibs Geist ist fort, Miss. Sie müssen sich um die Lebenden kümmern. Das ganze Camp ist in Gefahr. Etwas muß getan werden.«
    Wie durch einen Nebel begriff Laura, daß der Tod ihres Vaters ihr die Verantwortung für mehr als zwei Dutzend Leute übertragen hatte. Die Erkenntnis half ihr, sich zu fassen. Dennoch rang sie um Worte, als hätte sie nicht seit einigen Tagen fast nur Urdu gesprochen. »Entzündet am Rand des Lagers zusätzliche Feuer. Das wird den Tiger fernhalten.«
    »Wir haben nicht genug Brennstoff, Memsahib, und es ist zu gefährlich, welchen zu sammeln«, erklärte der Träger geduldig. »Ein Menschenfresser ist normalerweise ein altes Tier, vielleicht verwundet, aber immer unberechenbar. Sie müssen die Gewehre bereit haben, wenn er sich entschließt, das Camp anzugreifen.«
    Gewehre? Laura öffnete den Mund, um zu beteuern, daß ihre Schießkünste praktisch gar nicht vorhanden waren. Kenneth hatte ihr zwar beigebracht, wie man schoß, und sie hatte auch gelernt, wie man verschiedene Waffen lud und abfeuerte, aber sie hatte es so ungern getan, daß ihr Stiefvater sie schließlich nicht mehr drängte.
    Dennoch würde niemand anderer eine bessere Leistung erbringen können, denn ihre minimale Erfahrung war mehr, als die Diener besaßen. Es war ihre Pflicht, den Kummer ebenso beiseite zu schieben wie die Tatsache, daß sie Waffen haßte und fürchtete. Also schloß sie ihren Mund und stand auf.
    Kenneth war kein begnadeter Jäger gewesen, aber Feuerwaffen waren ein notwendiger Teil des Lebens in Indien. Er hatte drei Waffen auf die Reise mitgenommen: eine Pistole, eine doppelläufige Flinte und ein Gewehr für große Tiere. Mahendar brachte sie heran, und mit tauben Fingern lud sie eine nach der anderen. Nachdem sie Mahendar und Padam gezeigt hatte, wie man zielte und feuerte, übergab sie ihnen die Pistole und das Gewehr. Die Flinte behielt sie selbst, da sie dachte, sie wäre am besten geeignet, einen Tiger zu verscheuchen.
    Laura ging nach draußen und gab Befehl, ein zweites Feuer fünfzig Fuß entfernt von der Kochstelle zu entfachen. Für zwei war genug Brennstoff da, und die Diener würden sich besser fühlen, wenn sie zwischen den beiden schlafen konnten.
    Obwohl sie pflichtbewußt die Einzelheiten zur Sicherung des Lagers durchging, bezweifelte sie, daß eine echte Gefahr bestand. Tiger griffen nur selten Personen an, und selbst ein Menschenfresser würde lieber einen einzelnen Arbeiter von einem Feld zerren, als in ein geschäftiges Lager einzudringen. Nichtsdestoweniger entfachten Tiger eine Panik, die weit über die wirkliche Gefahr hinausging, und sie schuldete es ihren Leuten, sich um ihre Furcht zu kümmern.
    Sie schaffte es, ihre Stimme ruhig zu halten und mit festen Schritten zu gehen, aber in ihrem Inneren bebte alles vor Kummer und Angst. Sie hatte

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