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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Ich hörte Raubkatzen grollen, und etwas bewegte sich im Unterholz, also habe ich geschossen.«
    »Da ich einen Logenplatz hatte, tippe ich auf einen neugierigen Panther und einen Karakal, die ein bißchen am Lager herumschnüffeln wollten«, sagte Ian. »Ihre Pfade kreuzten sich, also haben sie sich ein bißchen angebrüllt. Als Sie schossen, haben die zwei sich klugerweise davongemacht.«
    »Ein Karakal?« wiederholte sie.
    Ian fragte sich langsam, ob die Frau betrunken oder geistig zurückgeblieben war. Ungeduldig antwortete er: »Sie haben doch sicher schon etwas von Karakals gehört. Sie sehen aus wie ein wenig zu große Hauskatzen und haben Büschel an den Ohren. Eine Art Luchs.« Er gab ihr die Waffe zurück. »Das nächste Mal, wenn Sie das Gewehr benutzen, denken Sie doch an die erste Jagdregel: Schieße niemals auf etwas, das du nicht genau sehen kannst. Sie haben es zwar nicht geschafft, jemanden umzulegen, aber das nächste Mal haben Sie vielleicht weniger Glück.«
    »Es... es tut mir leid«, sagte sie, und er hörte, daß sie den Tränen nahe war.
    Ian war peinlich berührt durch ihre Reaktion. »Es ist doch nichts passiert.« Er blickte sich um und sah, daß praktisch jeder Inder im Lager um sie herum stand und sie anstarrte, doch er konnte keinen anderen Europäer, keinen Distriktsbeamten, keine Lara entdecken. »Wo ist Kenneth Stephenson? Ich muß mit ihm sprechen.«
    »Das... das geht nicht.« Ihre Stimme brach.
    Ian versuchte, seine Verärgerung nicht zu zeigen. »Das ist doch sein Lager, oder?«
    »M... mein Vater ist tot.« Sie senkte den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch ihr wild herabhängendes Haar. »Er... er ist an der Cholera gestorben. Vor ein paar Minuten. Vielleicht... vielleicht vor einer Stunde.«
    »Lieber Gott«, sagte Ian leise und fühlte sich wie ein gefühlsarmer Idiot. Kein Wunder, daß die junge Frau durcheinander war. Es war erstaunlich, daß sie überhaupt einen zusammenhängenden Satz herausbrachte. Ja, sie hatte sogar versucht, das Lager gegen eine mögliche Gefahr zu verteidigen, und obwohl das Ergebnis mangelhaft gewesen war, gebührte ihr doch Achtung für ihre Bemühungen. »Sie sind Laura Stephenson?«
    Sie nickte und schwankte leicht.
    Ian trat zu ihr und nahm ihren Arm. »Sie müssen sich hinlegen.«
    Mit gesenktem Kopf gab sie einen kleinen erstickten Laut von sich und sank gegen ihn. Er ließ einen Arm um ihre Taille gleiten, um sie zu stützen, und sagte: »Mein Name ist übrigens Ian Cameron.«
    Ohne den Kopf zu heben, fragte sie: »Was... was wollen Sie hier?«
    »Das kann bis morgen warten.« Er wechselte zu Urdu über und wandte sich an die Diener. »Wer ist die Zofe von Miss Stephenson?«
    Eine zarte, hübsche Frau löste sich aus dem Kreis der anderen. »Das bin ich, Sahib.«
    »Bring deine Herrin in ihr Zelt und ins Bett. Wenn Laudanum da ist, gib ihr etwas davon, damit sie schläft.«
    Das Mädchen sah ängstlich zum Waldrand. Den Blick richtig interpretierend, sagte Ian: »Keine Sorge. Ich garantiere euch Sicherheit für den Rest der Nacht.«
    Das Mädchen reagierte auf die Autorität in seiner Stimme und kam herbei, um ihre benommene Herrin fortzuführen. Ian hatte schon Soldaten in ausweglosen Situationen beruhigt, und so fiel es ihm nun nicht schwer, das Vertrauen entmutigter Diener wiederherzustellen.
    Aber während er Befehle gab, Stephensons Waffen einsammelte, sie nachlud und sein müdes Pferd aus dem Wald holte, fragte er sich, was zum Teufel aus der kleinen Larissa Alexandrowna Karelian geworden war.

Kapitel 5
    Das Laudanum brachte Laura keinen Schlaf, sondern verursachte eine Art Lähmung, die mit Alptraumbildern von ihrem Stiefvater durchzogen waren. Er stand mit seinem vertrauten Lächeln vor ihr, aber als sie versuchte, ihn zu berühren, wich er zurück und verschwand in der wirbelnden Dunkelheit, die schon ihre Mutter und ihren ersten Vater verschluckt hatte.
    In fünfzehn Jahren Alpträumen war es Laura nie gelungen, ihre Eltern davon abzuhalten, sie zu verlassen, aber sie versuchte es immer wieder. Wenn sie nur die richtigen Worte finden, die richtigen Dinge tun würde, dann könnte sie Kenneth bestimmt zum Bleiben bewegen. Doch wieder und wieder scheiterte sie. Dann überlegte sie, ob sie ihm in die Dunkelheit folgen konnte. Mit einer immensen Anstrengung zwang sie ihre tauben Glieder, sich zu bewegen und rannte hinter seiner verschwindenden Gestalt hinterher. Verzweifelt schrie sie »Papa!«, während sie sich durch die

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