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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Überraschung merkte sie am regelmäßigen Rhythmus seines Atems, daß er eingeschlafen war. Vielleicht konnte sein gequälter Geist doch lernen, Ruhe zu finden. Und morgen, so Gott wollte, würde der Tag ein besserer sein.

Kapitel 11
    Am nächsten Morgen wachte Laura auf, als Ian sich bewegte. Sie öffnete die Augen. Die ersten Sonnenstrahlen fielen in den Raum und tauchten ihn in ein goldenes Licht. Sie und Ian lagen einander zugewandt, und ihre rechte Hand war mit seiner Linken verschränkt. Zu ihrer Erleichterung machte ihr Mann einen ruhigen Eindruck — die Dämonen hatten sich in die Schatten zurückgezogen.
    »Es tut mir leid wegen gestern nacht«, sagte er ruhig. »Ich dachte, ich hätte eine Art Frieden mit mei-nem jetzigen Selbst geschlossen, aber offenbar muß man so etwas mehr als einmal tun.«
    »Das fürchte ich auch«, gab sie selbstkritisch zurück. »Obwohl ich weiß, daß mein Stiefvater tot ist, denke ich bestimmt ein dutzendmal pro Tag >Das muß ich Papa erzählen<, bevor mir einfällt, daß er nicht mehr da ist. Jedesmal tut es weh — aber jedesmal ein bißchen weniger.« Ihre Finger schlossen sich fester um die seinen. »Auch du hast einen großen Verlust erfahren. Es ist kein Wunder, daß es noch sehr weh tut.«
    »Ich hoffe von Herzen, daß es das nächste Mal weniger schmerzt«, sagte er trocken. »Es gibt bessere Möglichkeiten, eine Hochzeitsnacht zu verbringen, als die Bruchstücke eines alten Wracks zusammenzusuchen.«
    Sie lächelte ihn langsam und neckend an, froh, daß er darüber scherzen konnte. »So alt bist du gar nicht.«
    »Aber ein Wrack, hm?« Er grinste wirklich amüsiert und stützte den Kopf auf eine Hand. »Du bist ein gemeines Luder.«
    Die Intimität, im gleichen Bett zu liegen, machte sie wagemutiger. »Und du«, erwiderte sie weich, »bist ein Mann, der zuviel von sich selbst verlangt. Onkel Pjotr sagt in seinem Tagebuch, daß du zum Helden geboren bist... >der Typ von Mann, der andere mitreißt, der sein Leben in einer Schlacht mit Mut und Instinkt riskieren kann<. Du wärst dem Tod tapfer entgegengetreten, aber deine endlosen Qualen erfordern eine andere Art von Stärke. Vielleicht kannst du dir einfach nicht verzeihen, daß du im Erdulden nicht ganz so gut warst wie im Riskieren des eigenen Lebens.«
    Ians Miene wurde plötzlich undefinierbar, aber er zog seine Hand nicht zurück. »Hat Pjotr das alles geschrieben?«
    »Im wesentlichen, ja. Ich interpretiere nur.«
    »Er war ein guter Menschenkenner.« Ian hob ihre verschränkten Hände und küßte sanft ihre Fingerknöchel. »Wenn du das begriffen hast und mir immer noch ins Gesicht sehen kannst, darf ich mich sehr glücklich schätzen.«
    Seine Worte brachten sie auf eine Idee, und forsch, aber behutsam griff sie nach dem Band seiner Augenklappe. »Ich würde dir wirklich gern ins Gesicht sehen,Ian.«
    Er erstarrte plötzlich, hielt sie jedoch nicht zurück. Laura wußte nicht recht, was sie zu erwarten hatte, und was sie dann sah, war weit weniger schlimm, als sie erwartet hatte: ein geschlossenes Lid, ein wenig mehr eingesunken, als es ein gesundes wäre. »Ich bin ziemlich enttäuscht«, sagte sie leichthin. »Ich hatte mir die Augenklappe schon wie eine Art Blaubarts Kammer vorgestellt.«
    »Nicht ganz das, aber ein Kainsmal«, erwiderte er rauh.
    Als Laura ihn alarmiert ansah, wurde sein Ausdruck wieder sanfter. »Ich habe nur einen leichten Hang zur Dramatik. Das ist ein nationaler Wesenszug der Schotten, wenn man an solche Dinge glaubt.« Bevor sie noch eine Frage stellen konnte, setzte er sich auf und stopfte sich ein paar Kissen in den Rücken, dann legte er die Augenklappe wieder an. »Wie war dein richtiger Vater eigentlich? Du hast nie von ihm gesprochen.«
    Abgelenkt und verwirrt rollte Laura sich auf den Rücken und starrte den Betthimmel über sich an. Ian legte seine Hand auf ihren Arm. »Tut mir leid - darüber willst du offenbar nicht unbedingt sprechen.«
    »Nein, schon gut«, sagte sie sanft. Obwohl sie in der Tat stets vermieden hatte, über ihren russischen Vater zu sprechen, da die Erinnerungen zu schmerzhaft waren, entdeckte sie nun, daß an diesem sonnigen, ersten Morgen ihrer Ehe ein wenig von der Pein verschwunden war. »Er war das Paradebeispiel eines umwerfenden, romantisch verklärten Kavallerieoffiziers - groß, gutaussehend und ungestüm. Er war für mich eine Art Halbgott, obwohl ich denke, daß die meisten Kinder ihre Väter so sehen.
    Er hatte auch ein wenig von dem

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