Indische Naechte
bemerkte sie Ians seltsamen, angestrengten Blick. Verwirrt sah sie ihn an, und er zog sie in seine Arme. »Danke, daß du mich geheiratet hast, Laura.« Dann küßte er sie.
Sie liebte das Gefühl seiner Lippen auf den ihren und die warme, kribbelnde Woge, die durch ihren Körper rollte. Was waren Münder doch für wunderbare, sensitive Dinger. Als er seinen Kopf wieder hob, sagte sie ein wenig atemlos: »Danke, daß du die Idee gehabt und mich dazu überredet hast.«
Er lächelte. »Ich ziehe mich im Bad an.«
Ihr Blick folgte ihm, als er seine Sachen aufsammelte und das Schlafzimmer verließ. Wie aufmerksam von ihm, sie allein zu lassen. Es war schön gewesen, mit ihm das Bett zu teilen, aber sie war noch zu scheu, um sich vor ihm auszuziehen. Vielleicht würde sie mit der Zeit etwas von dieser Scheu verlieren.
Als sie die junge Zofe zu sich rief, die ihr zugewiesen worden war, dachte Laura darüber nach, wie gut sich die Dinge doch entwickelten. Obwohl Ians Verzweiflung in der Nacht sie erschreckt hatte, waren sie sich dadurch nur näher gekommen. Wie Ian schon gesagt hatte, war es keine typische Hochzeitsnacht gewesen — aber es war nicht der schlechteste Anfang für eine Ehe, die auf Freundschaft basieren sollte.
12. Januar 1840. Wir haben den Fehler gemacht, über Politik zu sprechen, und seitdem ist die Atmosphäre gespannt. Ian und ich sind beide tödlich höflich, obwohl wir beide unsere unsterbliche Seele dafür hergeben würden, einmal eine Stunde von der Gesellschaft des anderen befreit zu sein. Verdammter englischer Kriegstreiber.
Laura lächelte ein wenig traurig und legte das Tagebuch auf ihre Knie. Onkel Pjotr nannte Ian immer dann einen Engländer, wenn die beiden sich zankten. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein mochte, Tag und Nacht mit einer anderen Person zusammenzusein, ohne nur einen einzigen Augenblick eine Privatsphäre haben zu können. Selbst sie und ihr Stiefvater wären wahrscheinlich der Gesellschaft des anderen überdrüssig geworden. Für zwei willensstarke Offiziere aus verfeindeten Nationen mußte es ungleich schwerer zu ertragen gewesen sein.
Sie blickte auf und sah, daß Ian die drei Pferde zum Tränken zum Fluß führte. Es war ihr vierter Tag unterwegs, und sie machten Mittagspause. Zumindest Laura hatte etwas gegessen. Wie gewöhnlich hatte Ian gerade soviel verzehrt, wie eines der kleinen gestreiften Flughörnchen brauchte, um am Leben zu bleiben.
Sie hatten eine gewisse Routine erlangt und bewegten sich mit einer Geschwindigkeit vorwärts, die es ihnen, ohne ermüdend zu sein, erlaubte, täglich eine gute Strecke zurückzulegen. Laura wußte, daß Ian allein viel schneller reiten würde, aber er war stets auf ihre Bequemlichkeit bedacht. Seine unaufdringliche Fürsorge gab ihr das Gefühl, etwas Wertvolles zu sein, und als Gegenleistung verwöhnte sie ihn mit kleinen Dingen, was er zu genießen schien.
Bisher hatten sie jede Nacht in den von der Regierung unterhaltenen Dak -Bungalows verbracht, die zwar spartanisch eingerichtet, aber praktisch waren. Vielleicht eine etwas merkwürdige Art von Flitterwochen, aber sie war sehr zufrieden damit. Das Vergnügen, in Ians Gesellschaft zu sein, machte die leichte Unbequemlichkeit, in einem beleuchteten Zimmer zu schlafen, mehr als wett. Unglücklicherweise schlief er immer noch keine Nacht durch. Oft erhob er sich leise und ging hinaus, um frische Luft zu schnappen. Aber er kam immer zurück, und der Zusammenbruch, den er in der ersten Nacht erlitten hatte, wiederholte sich nicht.
Während Ian seine Beine streckte und sich um die Pferde kümmerte, las Laura weiter in Pjotrs Tagebuch.
15. Januar 1840. Ian und ich hätten uns heute morgen fast geprügelt. Wegen einer absolut lächerlichen Sache. Ich sagte, er gäbe mir zuviel von dem Essen, er meinte, ich würde halluzinieren, und wir hatten einen heftigen Streit und warfen uns Beleidigungen in mindestens fünf Sprachen an den Kopf. Ein dummer Grund zum Streiten - Gefangene sollten sich gegenseitig beschuldigen, dem anderen zu wenig Essen zu geben. Aber ich weiß genau, daß Ian mir die größere Portion gegeben hat. Ich nehme an, er befürchtet, ich könnte ihm vor der Nase wegsterben, wenn er mich nicht ordentlich füttert. Aufdringlicher Bengel. Aber wahrscheinlich hat er recht.
17. Januar 1840. Wir stritten gerade über das Frühstück - oder besser, ich wollte Streit anfangen und Ian hat mich einfach ignoriert - als die Welt um uns herum verrückt spielte.
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