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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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schwermütigen Temperament seines eigenen Vaters. Wenn er gute Laune hatte, war er der liebste, aufregendste Vater der Welt. Dann wieder war er launisch und etwas be-
    ängstigend, und ich sah zu, daß ich ihm aus dem Weg ging.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Seltsam. Als mein Vater starb, war er etwa so alt wie du jetzt bist. Viel zu jung, um sein Leben zu verlieren.«
    »Niemand ist zu jung zum Sterben«, warf Ian ein. »Was ist passiert?«
    Laura ignorierte die Frage, als sei sie nicht gestellt worden. »Ich erinnere mich an einen Winter, als er mit mir ausritt. Er hielt mich vor sich auf dem Sattel fest, und wir flogen über den Schnee, setzten über Zäune und Hecken. Es war herrlich, so als ob man den Nordwind ritt. Ich fühlte mich absolut sicher, denn ich war ja im Arm meines Vaters, aber meine Mutter wurde furchtbar wütend, weil er mein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Dabei war sie eine genauso draufgängerische Reiterin. Und so ist sie auch gestorben: Sie versuchte, über einen Zaun zu springen, den jeder vernünftige Mensch gemieden hätte.«
    »Es ist ein Jammer, daß sie nicht vorsichtiger war.«
    Laura seufzte. »Ja, aber wenn sie die Wahl gehabt hätte, dann hätte sie genauso sterben wollen. Sie war noch so schön, konnte noch jeden Mann bezaubern, der sie ansah. Sie hätte es verabscheut, vom Alter besiegt zu werden. Ja — vernünftig und vorsichtigzu reiten, wäre ihr wie eine kleingeistige Unterwerfung unter das Unvermeidliche erschienen.«
    »Das hört sich an, als wäre deine Mutter wie meine Schwester gewesen: ein wenig zu energiegeladen.«
    »Du hättest sie vergöttert«, sagte Laura mit Überzeugung. »Jeder tat es, selbst die Frauen, die eigentlich gegen sie waren. Abgesehen davon, daß meine Mutter bestimmt nicht schwermütig war, ähnelten meine Eltern sich sehr. Sie waren beide schön und stur und leidenschaftlich. Sie trugen wilde Kämpfe aus und versöhnten sich anschließend ebenso wild.
    Einmal wollte sich mein Vater für irgend etwas entschuldigen und füllte Salon und Schlafzimmer mit Blumen. Es war Winter, und es muß ein Vermögen gekostet haben. Ein anderes Mal geriet meine Mutter in Wut und warf jeden Kosmetikartikel und jedes Parfümfläschchen, das sie besaß, nach ihm. Er lachte nur, wehrte die Geschosse ab und sagte, sie wäre eine schlechte Schützin und daß das Schlafzimmer nachher wie ein Hurenhaus stinken würde. Ich kauerte in einer Ecke und machte den Fehler zu fragen, was ein Hurenhaus ist. Tatjana klingelte sofort nach meiner Amme, die mich fortbrachte, so daß ich erst Jahre später herausbekam, was mein Vater gemeint hatte.« Lauras Lippen preßten sich aufeinander, als sie an die purpurroten Flecken auf der Wand dachte, die sie augenblicklich zu einer weitaus häßlicheren Erinnerung brachten.
    Ian berührte leicht ihre Hand. »Solche Eltern sorgen zwar für farbenprächtige Geschichten, aber für ein Kind muß es gelegentlich ziemlich beängstigend
    sein.«
    »Das war es.« Laura lächelte schief. »Es ist schwer zu glauben, daß zwei Pfaue wie meine Eltern ein Hühnchen wie mich produziert haben.«
    »Du bist kein Hühnchen«, protestierte Ian liebevoll. »Du bist ein Schwan, der sich zu Unrecht für eine Gans hält.«
    Sein Tonfall wärmte Laura. »Eher eine Eule. Kenneth hat mich sogar manchmal seine kleine Eule genannt. Es ist schon komisch, aber vom Temperament her bin ich viel eher seine Tochter als die meiner echten Eltern.«
    »Dein erster Vater scheint sich von deinem zweiten grundsätzlich unterschieden zu haben.«
    Laura grinste. »Das liegt daran, daß meine Mutter mir die Wahl überließ.«
    Er zog die Brauen hoch. »Ehrlich?«
    Laura stapelte sich ebenfalls Kissen in den Rücken, so daß sie sich wie Ian bequem anlehnen konnte. »Nun ja, Tatjana fragte mich, wen ich vorziehen würde, und ich wählte Kenneth.« Sie warf ihrem Mann einen Blick zu und sah, daß sein Hemd sich über der Brust geöffnet hatte. Sie hatte das starke Bedürfnis, ihn zu berühren, mit ihren Fingern über sein Brusthaar zu streichen, das Hemd aufzumachen und ihn weiter zu erforschen...
    Hastig riß sie ihren Blick los. »Nachdem... als mein erster Vater nicht mehr da war, beschloß meine Mutter, Sankt Petersburg zu verlassen. Also reisten wir in ein Kurbad in der Schweiz. Wahrscheinlich glaubte sie, daß ihre Chancen, einen neuen Ehemann zu finden, dort am größten waren. Sie war nicht nur knapp bei Kasse, sondern auch der Typ Frau, die dringend einen Mann in ihrem

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