Indische Naechte
viele wissende, lächelnde Gesichter. Schlichtweg zu viele Menschen; die Last ihres Interesses und ihrer Freundlichkeit war überwältigend gewesen. Der Frieden, den Ian auf seiner Reise von Nanda nach Baipur in Lauras Begleitung gefunden hatte, war praktisch in dem Augenblick verflogen, als sie sich verlobt hatten. Mehr als einmal war er versucht gewesen, ihr vorzuschlagen, sie sollten nach dem alten schottischen Brauch einfach über ein Schwert springen, um zu heiraten. Dann hätten sie sich sofort nach Bombay auf den Weg machen können.
Doch obwohl seine Nerven fast zum Zerreißen strapaziert worden waren, hatte er es um Lauras willen ertragen. Jede Frau verdiente einen Hochzeitstag, bei dem sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, und er würde ihr dies gewiß nicht nehmen. Und es war es wert gewesen, denn sie war eine wunderschöne Braut gewesen, deren Augen leuchteten, deren Stimme fest war, wenn auch die Hände ein wenig gezittert hatten.
Sie waren den ganzen Tag nah beieinander geblieben, und ihre Gegenwart hatte ihn dazu befähigt, das Hochzeitsfrühstück durchzustehen, obwohl er unter den stärksten Kopfschmerzen seit Wochen gelitten hatte. Endlich waren die Feierlichkeiten vorüber, und man hatte sie standesgemäß zu diesem luxuriösen Pavillon gefahren, in dem sie ihre Hochzeitsnacht verbringen sollten. Der Pavillon gehörte dem reichsten Kaufmann Baipurs, der ihn Laura zum Gedenken an seinen Freund Kenneth Stephenson zur Verfügung gestellt hatte.
Ian und Laura waren in dem Augenblick dort an-gekommen, als die Sonne in herrlichen, glühenden Farben unterging. Am Rand eines spiegelglatten kleinen Sees gelegen, war dies ein unglaublich romantischer Ort, um eine Hochzeitsnacht zu verbringen. Leise umherhuschende Diener hatten ihnen das Dinner serviert, von dem Ian nichts gegessen hatte. Danach waren die Frischverheirateten zu zwei verschiedenen Bädern geführt worden. Ians hätte mit der gigantischen Marmorwanne, die im Boden eingelassen war, und dem endlosen Reservoir an heißem Wasser einem Maharadscha genügt. Lauras Bad würde ähnlich luxuriös sein.
Da er nichts als allein sein wollte, hatte Ian augenblicklich sämtliche Diener entlassen. Dann hatte er seine Kleider abgestreift und sich in die Wanne gleiten lassen. Von den duftenden Ölen nahm er nichts - er war zu sehr Schotte, um wie ein Dandy riechen zu wollen —, aber das heiße Wasser tat ihm gut. Als das Wasser kühl wurde, waren auch seine Kopfschmerzen verschwunden.
Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er die blaue, bestickte Robe an, die man für ihn bereitgelegt hatte. Sanft wie ein Flüstern umschmeichelten die Falten seinen Körper... Indern konnte man in puncto Sinnlichkeit wirklich nichts mehr beibringen.
Er kehrte ins Schlafzimmer zurück, um auf seine Braut zu warten, versicherte sich, daß die Lampe genug Öl enthielt, um bis zum Morgen zu brennen, dann trat er ans Fenster und blickte auf den See hinaus. Lotosblumen schwebten auf dem dunklen Wasser und hatten ihre blassen Blüten zur Nacht geschlossen. Er fühlte sich selbst wie eine dieser Blumen, schwebend zwischen Zukunft und Vergangenheit, zwischen Dunkel und Licht, Verzweiflung und
Hoffnung. Und der Schlüssel zu Licht, Hoffnung und Zukunft war Laura.
Er hatte geglaubt, daß sie eine lange Zeit im Bad verbringen würde, aber sie kam schneller als erwartet. Er wandte sich um, als er ihre Schritte hörte, und sein Herz machte einen seltsamen Sprung, als sie stehenblieb. Ihr lohfarbenes Haar ergoß sich wie ein Wasserfall aus polierter Bronze den halben Rücken hinunter, und sie sah so weich und unglaublich schön aus. Sie trug ein langes europäisches Nachthemd aus mehreren Schichten durchscheinender Seide, die wie eine Wolke um sie herumschwebte und deutlich machte, daß ihre Figur noch reizvoller war, als er angenommen hatte.
Es war genau die Art Kleidung, die ein Mädchen in seiner Hochzeitsnacht tragen sollte, denn sie weckte gleichzeitig Begierde und Zärtlichkeit. Wohl zum tausendsten Mal dachte er daran, was er ihr versagen mußte. Doch es war zu spät für Reue. Er konnte nur hoffen, daß sie die Wahrheit gesagt hatte, als sie meinte, sie wüßte, was sie wollte.
Sie lächelte ihn schüchtern an. »Und was passiert jetzt?«
Er wollte sprechen, aber ihm versagte die Stimme. Nach einem Räuspern versuchte er es erneut. »Ich würde dich gern in den Arm nehmen. Nur das. Wenn du nichts dagegen hast. Oder wir können reden.«
Er wäre nicht überrascht
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