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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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meisten Bewohnern bestand. Jemand mußte sie bereits dem Vorsteher gemeldet haben.
    Ein älterer Mann, der sehr viel Würde ausstrahlte, trat aus der Mitte der Gruppe und begrüßte sie auf Urdu. »Namaste, Sahib. Wollt ihr die Nacht im Dak verbringen?«
    Ian bejahte dies und stieg ab, um sich vorzustellen und Höflichkeiten auszutauschen. Schließlich sagte der Dorfvorsteher: »Vergib mir meine Aufdringlichkeit, Cameron Sahib, aber die Würde deiner Haltung läßt darauf schließen, daß du ein Armeeoffizier bist.«
    »Du hast einen aufmerksamen Blick«, sagte Ian. »Obwohl ich nicht mehr beim Militär bin, war ich es doch sehr viele Jahre.«
    Der Vorsteher nickte zufrieden. »Ein Streit ist entstanden, der am besten schnell geschlichtet wird. Kannst du es tun?«
    Ian blickte ihn überrascht an. »Aber ich bin nicht in Rechtsprechung ausgebildet. Wäre ein Richter deines Distriktes nicht viel nützlicher?«
    »Es dauert zu lange, bis einer von ihnen zu uns kommt, und für die Betroffenen würde es große Mühe bedeuten, dorthin zu reisen«, erklärte der Vorsteher. »Als ein Offizier des Sirkar, Sahib, wissen wir, daß du gerecht urteilen wirst. Wenn du einwilligst, könnte der Fall sofort vorgebracht werden. Alle Beteiligten sind hier im Dorf.«
    »Also gut. Wenn diese Leute gewillt sind, mein Urteil zu akzeptieren, dann will ich zuhören.« Er wandte sich zu Laura und sagte auf Englisch: »Das kann gut und gerne ein paar Stunden dauern. Du möchtest sicher schon ausruhen, nicht wahr?«
    »Ja, großer Weiser«, sagte sie in gespielter Demut. »Wie gut, in diesem Fall nur eine Frau zu sein.« Sie stieg ab und ging zusammen mit Zafir weiter zum Dak, der zu klein war, um eine ortsansässige Dienerschaft zu beherbergen. Während Zafir sich auf den Weg machte, um etwas zum Essen zu kaufen, beschloß Laura, mit einem Spaziergang die Muskeln zu lockern.
    Sie war im Frieden mit der Welt um sich herum, als sie die Straße entlangschlenderte, die sie vom Dorf wegführte. Sie und Ian gingen gutgelaunt miteinander um, seit sie Cambay verlassen hatten, und gemeinsames Lachen war schon etwas Normales. Ian zog sich zwar immer noch bei seinen Anfällen von Schwermut von ihr zurück, doch sie konnte nichts mehr von der abgrundtiefen Verzweiflung spüren.
    Das einzige Problem war ihr wachsendes körperliches Verlangen nach ihrem Mann. Sie hatte sich an das tiefe Glühen der Begierde gewöhnt, das in ihr geweckt wurde, wann immer Ian sie berührte, und in dem Maße, wie sich sein Seelenzustand besserte, wurde er auch immer herzlicher und zärtlicher. Manchmal wachte sie in der Nacht auf, weil ihr zu warm war, und mußte feststellen, daß ihre Glieder um die schlafende Gestalt ihres Mannes geschlungen waren.
    Das Unbehagen war nichts, was sie nicht hinnehmen konnte - verglichen mit Indiens heißer Jahreszeit war es bloß ein geringes Ärgernis. Aber manchmal fragte sie sich doch, was geschehen sollte, wenn ihr Verlangen noch weiter wuchs. Würde sie immer mehr glühen und entflammen, bis das Feuer sie eines Tages verzehrte, bis es sie auf ein Häufchen Asche reduzierte?
    Sie mußte selbst über diese Übertreibung lachen. Als sie um eine Kurve bog, entdeckte sie einen Sadhu, der mit gekreuzten Beinen am Wegesrand saß. Ein paar Dorfbewohner hatten sich um ihn herum versammelt. Sadhus waren heilige Männer, die allem weltlichen Besitz abgeschworen hatten und nur in Lumpen und mit einer Bettlerschale durchs Land zogen. Dieser Sadhu sah aus wie ein Bengale aus dem östlichen Indien, und wie die meisten heiligen Männer war er halbnackt. Ein wilder Bart und eine struppige Mähne aus schmutziggrauem Haar umgaben sein Kopf.
    Laura war weit genug entfernt, so daß man sie noch nicht entdeckt hatte, und sie beschloß, sich lieber zurückzuziehen als zu stören. Doch da sah sie, wie eine Frau mit einem Baby auf dem Arm auf den Sadhu zutrat. Sie legte das Kind, das vor Fieber zu glühen schien, vor ihm auf den Boden.
    Der heilige Mann legte eine Hand auf den Kopf des Kindes, die andere auf die kleine Brust. Obwohl er nicht sprach, schien die Luft um ihn herum von unsichtbaren Kräften zu flimmern. Während Laura wie gebannt zusah, wich die ungesunde Farbe aus dem Gesicht des Babys, und es begann, seine Ärmchen und Beinchen zu bewegen. Nach etwa fünf Minuten stieß es ein Jammern kindlicher Empörung aus, das ganz und gar normal und kräftig klang. Vor Erleichterung weinend, sank die Mutter auf die Knie und dankte dem Sadhu innig, dann nahm

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