Indische Naechte
Zafirs. »Wenn du die lange Reise wirklich machen willst, dann freue ich mich über deine Begleitung.«
Die Männer verbrachten ein paar Minuten damit, Neuigkeiten auszutauschen, und legten eine Zeit fest, wann Zafir am nächsten Morgen zu ihnen stoßen sollte. Schließlich ritt Ian leise pfeifend nach Hause. Er freute sich auf Laura und darauf, ihr von seinem Tag zu erzählen. Vorfreude auf etwas zu haben - auch das war so neu wie das Lachen.
Eine angenehme Brise wehte, und er fand Laura auf der Veranda. Er nahm zwei Stufen auf einmal, zog sie dann in seine Arme und drückte sie fest an sich. Sie war so weich und duftete angenehm nach Jasmin.
Obwohl Laura nicht ganz bei der Sache zu sein schien, lächelte sie ihn an. »Was hast du denn für gute Laune? War dein Tag erfolgreich?«
»Ich habe für Leela und ihren Sohn ein paar Vorkehrungen getroffen.« Ian hockte sich auf das Verandageländer und ließ ein Bein baumeln. »Und du hattest recht damit, daß ich mit Georgina reden sollte. Nicht nur sie fühlt sich jetzt besser, sondern ich auch.«
»Wirklich?« Sie legte den Kopf schief. »Und wie kommt’s?«
Er drehte den Topi in seinen Händen, während er darüber nachdachte. »Ich denke, es war wieder ein Schritt, die Vergangenheit hinter mich zu bringen. Anzunehmen, was ich habe, statt wütend zu sein, was ich nicht bekomme. Ein simples Konzept, aber wie du mal gesagt hast, etwas, das man immer und immer wieder durchexerzieren muß.« Er lächelte sie reumütig an. »Tut mir leid, daß ich nur langsam lerne.«
Laura gab keine Antwort, sondern nickte nur, und ihre Augen leuchteten in herzlicher Zustimmung. Sie war wirklich die genügsamste Frau, wenn sie nicht gerade wütend wurde! Aber auch das gefiel ihm. »Außerdem haben wir noch einen Bonus bekommen — in Form eines Dieners für die letzte Etappe unserer Reise«, sagte er. »Zafir, meine Pathanen-Ordonnanz ist zurückgekehrt, um zu sehen, ob ich tatsächlich am Leben bin. Da es so ist, hat er beschlossen, uns nach Bombay zu begleiten. Ich freue mich sehr darauf, und er wird seine Aufgabe gut machen.«
Sie biß sich auf die Unterlippe. »Ich muß etwas mit dir besprechen, Ian. Ich habe Pjotrs Tagebuch weiter übersetzt und dies am Ende der Bibel gefunden. Es ist eine Art Brief an mich.« Sie reichte ihm die englische Übersetzung.
Als sein Blick auf das Wort Dharjistan fiel, durchzuckte ein Bild seinen Geist. »Teufel auch«, fluchte er und schloß das Auge.
Er spürte Lauras Hand auf dem Arm. »Was ist denn,Ian?«
»Ich weiß nicht genau«, antwortete er zögernd und öffnete sein Auge wieder. »Als ich das Wort >Dharjistan< las, sah ich Feuer!«
»Feuer? Was hat gebrannt?«
Er holte tief Luft und dachte über die Vision nach, die nun viel klarer war als die undeutlichen Blitze, die ihn seit Buchara verfolgten. »Das hört sich wahrscheinlich seltsam an, aber was ich sehe, ist eine Karte von Indien. Flammen schießen im Nordwesten hoch, fressen sich dann über das ganze Land und vernichten alles, was in ihrem Weg liegt.«
»Ein Feuer über Indien?« wiederholte sie perplex. »Pjotr hat so etwas ein paarmal in diesem Tagebuch geschrieben.« Sie blätterte durch die Seiten und las vor, was sie gefunden hatte.
»Deswegen hatte ich also monatelang Alpträume von einem Feuer!« Ian rieb sich konzentriert die Schläfen. »Langsam erinnere ich mich wieder. Ich war durch das Fieber nur halb bei Bewußtsein, als Pjotr zur Exekution geholt werden sollte. Er versuchte mir etwas zu sagen, aber alles, was ich in meinem Delirium begriff, war die Tatsache, daß er sterben würde. Doch nun höre ich ihn >ein Feuer über Indiern sagen, als würde er hier neben mir stehen.«Ian suchte noch einige Minuten in seiner Erinnerung, schüttelte dann aber deprimiert den Kopf. »Er hat noch mehr gesagt, aber ich kann mich, verdammt noch mal, nicht erinnern.«
»So wie du reagiert hast, muß er auch Dharjistan erwähnt haben«, sagte Laura nachdenklich.
Ian seufzte. »Wahrscheinlich, aber mir fällt es wirklich nicht mehr ein.«
»Vielleicht kommt es noch«, erwiderte sie ermutigend. »Kannst du mir etwas über Dharjistan sagen? Ich weiß gar nichts darüber.«
»Ich habe es ein paarmal durchquert, weil es an der Hauptroute nach Afghanistan liegt. Deswegen hat das Land eine große strategische Bedeutung.« Er überlegte einen Augenblick. »Wie du sicher weißt, handelt es sich um ein Fürstentum mit einem eigenen Herrscher, statt von den Briten verwaltet zu werden.
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