Individuum und Massenschicksal
zurückkommen.
Hierzulande jedoch habt ihr etwas, das fast schon auf ein soziales Programm zum Krankwerden hinausläuft - die »Grippesaison« oder auch die »Grippewelle«. Als Gedankenprojektion der Massen hat sie einen medizinischen und ökonomischen Hintergrund. Natürlich ist der Ärztestand an der Suggestion beteiligt. Im Spiel sind weiters wirtschaftliche Interessen, die von den größten Apotheken bis zu den
* Seth bezog sich auf das Guillain-Barre-Syndrorn, Lähmungserscheinungen, die bei einer kleinen Zahl von 1976 im Zuge des Programms zur Bekämpfung der Schweinegrippe Geimpften auftraten. Aus verschiedenen Gründen brach die Regierung das sehr kostspielige und umstrittene Programm im vergangenen Dezember plötzlich ab. Dann äußerte sich im Mai dieses Jahres eine Reihe sowohl innerhalb als außerhalb der Regierung tätiger Wissenschaftler übereinstimmend dahingehend, daß die Grippeimpfungen das Guillain-Barre-Syndrom ausgelöst haben, der Grund für diese bei einigen Personen aufgetretene Reaktion jedoch nicht bekannt sei. Jane und ich hatten uns nicht impfen lassen.
kleinsten Drogerien, von den Supermärkten bis zu den Krämerläden um die Ecke reichen.
Pillen, Tropfen und Injektionen zur Bekämpfung der Grippe füllen die Schaufensterauslagen, um auch diejenigen, die sie sonst vielleicht nicht beachtet hätten, an die bevorstehenden Schwierigkeiten zu erinnern.
Das Werbefernsehen setzt eine neue Lawine in Gang, so daß ihr (amüsiert) nahtlos den Übergang von der Heuschnupfensaison zur Grippesaison vollziehen könnt, ohne irgendwelche medikamentösen Verabreichungen zu versäumen.
Ein Husten im Juli wird vermutlich nicht weiter tragisch genommen und ist rasch vergessen. Ein Husten in der Grippesaison jedoch ist entschieden verdächtig - und unter solchen Umständen, vor allem mitten in einer unerquicklichen Arbeitswoche, kommt leicht der Gedanke auf: Sollte ich morgen nicht besser zu Hause bleiben? Es wird buchstäblich von euch erwartet, daß ihr die Grippe kriegt. Sie bietet eine willkommene Gelegenheit, allen möglichen Problemen auszuweichen.
Manche Aufgeweckte spüren unterschwellig sehr wohl, was da eigentlich läuft. Sie haben weiter nichts zu tun, als den Einflüsterrungen der Gesellschaft, die ihnen auf Schritt und Tritt folgen, Gehör zu schenken.
Und tatsächlich: die Temperatur steigt! Vor lauter Besorgnis wird die Kehle trocken. Latente Viren - die bisher keinen Schaden gestiftet hatten
- werden aktiviert.
(22.10 Uhr.) Auch die Hersteller von Mänteln, Stiefeln und Handschuhen preisen ihre Erzeugnisse an. Doch herrscht in jenen Sparten mehr Vernunft insofern, als in ihrer Werbung der Akzent auf der Gesundheit liegt; so, wenn sie beispielsweise den vergnügten Skifahrer oder den wetterharten Seefahrer abbilden. Doch auch sie behaupten bisweilen, daß ihre Erzeugnisse euch vor Grippe und Erkältungen, kurz, vor der Anfälligkeit eurer Natur beschützen.
Die gelobten Schutzimpfungen sind im großen und ganzen von geringem Nutzen; doch sind sie potentiell gefährlich, besonders wenn sie verordnet werden, um einer Epidemie vorzubeugen, die noch gar nicht aufgetreten ist. Sie mögen in Einzelfällen nützlich sein, doch insgesamt richten sie Schaden an, indem sie eure Körperfunktionen durcheinanderbringen und biologische Reaktionen auslösen, die sonst vielleicht gar nicht aufgetreten wären.*
Die Grippesaison überschneidet sich nun auch noch mit der
* Früheres Material über Impfungen findet sich in Kapitel 1, Sitzungen 801 und 802.
Weihnachtszeit, da den Christen gesagt wird, daß sie frohgemut sein sollen, daß sie ihren Mitmenschen eine selige Rückkehr in die natürliche Wunderwelt der Kindheit wünschen und Gott im Kind Ehre erweisen sollen. Doch leider ist die christliche Weihnachtslegende für den heutigen Menschen verwirrend und mangels inneren Zusammenhangs kaum noch tragfähig. Der religiöse Glaube hat die Verbindung zum täglichen Leben verloren. Viele Menschen vermögen nicht mehr, die unterschiedlichen Inhalte ihres Glaubens und ihres Denkens und Fühlens miteinander zu vereinbaren, und zu Weihnachten kommt ihnen deutlicher als sonst die riesige Kluft zwischen ihren wissenschaftlichen Glaubensüberzeugungen und ihren religiösen Glaubenssätzen zu Bewußtsein. Sie fühlen sich außerstande, mit einem derartigen mentalen und spirituellen Dilemma fertigzuwerden. So kommt es gerade zur Zeit des »Freuet euch!« oft zu Depressionen, die noch verstärkt werden
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