Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Angreifern entgegen, hieben wie wütende Zentauren Köpfe und Glieder mit einem Degenstreich ab, zermalmten Brustkörbe unter den Hufen ihrer Pferde. Doch es dauerte keine Stunde, da mußten sie sich zurückziehen. In den Straßen von Santiago wimmelte es schon von ohrenbetäubend kreischenden Indios. Einige Yanaconas und etliche Frauen, die seit Monaten von Rodrigo de Quiroga ausgebildet worden waren, luden die Arkebusen nach, damit die Soldaten feuern konnten, aber es war ein mühsames und nervenaufreibendes Unterfangen; der Feind war schon über uns. Verbissener noch als die erfahrensten Soldaten kämpften die Mütter um das Leben ihrer Kinder, die zusammen mit Cecilia in meinem Kellerloch verborgen waren. Ein Hagel von Brandpfeilen prasselte auf die Dächer unserer Häuser, und das Stroh, wiewohl noch durchnäßt vom Augustregen, begann zu schwelen. Ich begriff, daß wir die Arkebusiere fürs erste sich selbst überlassen mußten, und machte mich mit den Frauen daran, die Brände zu löschen. Wir bildeten Ketten und reichten uns die Wassereimer von Hand zu Hand, mußten aber bald einsehen, daß es sinnlos war, es schlugen immer neue Pfeile ein, und wir durften das vorhandene Wasser nicht an die Brände vergeuden, denn bald würden die Soldaten es bitter nötig brauchen. Wir gaben die weiter außen liegenden Häuser auf und sammelten uns auf der Plaza de Armas.
Unterdessen trafen die ersten Verwundeten ein, einige Soldaten und etliche Yanaconas. Catalina, meine Helferinnen und ich hatten es noch geschafft, die üblichen Hilfsmittel bereitzustellen, Lappen, Kohle, Wasser, siedendes Öl, Wein zum Auswaschen der Wunden und Muday als Hilfegegen die Schmerzen. Einige Frauen kochten Suppe in großen Töpfen, richteten Kalebassen mit Wasser und buken Maisfladen, denn diese Schlacht würde lange dauern. Überall in der Stadt brannten die Strohdächer, der Qualm nahm uns den Atem, unsere Augen tränten. Die Soldaten schleppten sich blutend zu uns, wir behandelten die Wunden, die wir sehen konnten – keine Zeit, ihnen die Rüstung abzunehmen. Wir flößten ihnen einen Becher Wasser oder Suppe ein, und kaum daß sie sich wieder auf den Beinen halten konnten, kehrten sie zurück ins Gefecht. Ich weiß nicht, wie oft die Kavallerie ihre Angriffe ritt, doch es kam der Moment, da Monroy entschied, es sei zwecklos, die ganze Stadt zu verteidigen, sie brannte an allen vier Ecken, und die Indios hatten schon fast sämtliche Straßen genommen. Kurz sprach er sich mit Aguirre ab, dann zogen die beiden ihre Reiter zurück und bündelten alle Kräfte auf dem Platz, wo Don Benito auf einem Schemel hockte und die Stellung hielt. Dank Catalinas Hokuspokus war die Wunde an seinem Oberschenkel verheilt, aber er war zu schwach, um sich lange auf den Beinen zu halten. Er hatte zwei Arkebusen und einen Yanacona, der ihm beim Laden half, und von seinem Invalidenschemel aus sorgte er diesen ganzen langen Tag über für Verheerungen unter unseren Feinden. Vom vielen Feuern glühten die Waffen und versengten ihm die Handflächen.
Ich war im Haus mit den Verwundeten beschäftigt, als es einer Gruppe von Angreifern gelang, die Lehmmauer zu meinem Hof zu erklimmen. Catalina schlug Alarm, ich hörte sie schreien wie eine Besessene und wollte zu ihr laufen, kam aber nicht weit, denn die Angreifer waren schon so nah, daß ich die Zähne in ihren wilden, bemalten Gesichtern hätte zählen können. Rodrigo de Quiroga und unser Gottesmann González de Marmolejo, der sich einen Brustschild umgebunden hatte und ein Schwert schwang,waren fast sofort zur Stelle, denn mein Haus mußte wegen der Kinder im Keller und der Verwundeten im Saal um jeden Preis gehalten werden. Einige der Angreifer stellten sich Quiroga und Marmolejo in den Weg, die anderen aber verwüsteten meine Pflanzungen, steckten das Stroh in den Gehegen in Brand und richteten unter meinen Tieren ein Blutbad an. Da verlor ich völlig den Kopf, ich hatte jedes dieser Tiere über Monate gepäppelt wie die Kinder, die ich nie hatte. Mit einem Brüllen, das aus meinen Tiefen kam, stürzte ich den Angreifern entgegen, obwohl ich die Rüstung nicht trug, die Pedro mir geschenkt hatte, denn in dem starren Metallpanzer konnte ich mich unmöglich um die Verwundeten kümmern. Ich glaube, mir standen die Haare zu Berge, und ich spie Geifer und Flüche wie eine Harpyie; ich muß sehr bedrohlich ausgesehen haben, denn die Wilden hielten im ersten Augenblick inne und wichen gleich darauf einige Schritte
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