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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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meine gewöhnliche nächtliche Wanderung zusammen mit Baltasar, der sich verschlafen an meine Fersen heftete und mir folgte wie ein Schatten. Das Haus war ruhig. Ich fand Felipe nicht, machte mir indes keine Sorgen, weil er oft bei den Pferden schlief. Ich trat hinaus auf den Platz und gewahrte den schwachen Schein einer Fackel auf dem Dach von Aguirres Haus, wo wir einen Wachsoldaten postiert hatten. Nach so vielen Stunden allein dort oben war der arme Mann gewiß hundemüde, deshalb wärmte ich in der Küche einen Becher Brühe und brachte ihn hinauf.
    »Danke, Doña Inés. Schlaft Ihr nicht?«
    »Ich bin eine schlechte Schläferin. Gibt es Neuigkeiten?«
    »Nein. Die Nacht war ruhig. Ihr seht ja, der Mond scheint ein bißchen.«
    »Was sind das für dunkle Flecken dort hinten beim Fluß?«
    »Schatten. Ich habe sie schon länger bemerkt.«
    Ich starrte eine Weile hin, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Es sah aus, als brandete eine dunkle Welle aus dem Fluß und vereinigte sich mit einer zweiten aus dem Tal.
    »Diese angeblichen Schatten sind nicht normal, mein Junge. Wir sollten Hauptmann Quiroga verständigen, er hat sehr gute Augen und …«
    »Ich darf meinen Posten nicht verlassen, Señora.«
    »Ich gehe.«
    Gefolgt von meinem Hund, rannte ich die Stiege hinunter und quer über den Platz zu Quirogas Haus. Ich weckte den Indio, der auf der Schwelle dessen schlief, was einmal die Tür werden sollte, und befahl ihm, unverzüglich den Hauptmann zu rufen. Fast sofort erschien Rodrigo, erst halb bekleidet, aber in Stiefeln und mit dem Degen in der Hand. Wir hasteten über den Platz und hinauf zu Aguirres Terrasse.
    »Kein Zweifel, Doña Inés, diese Schatten sind Massen von Menschen, und sie kommen näher. Ich könnte schwören, es sind Indios, die sich unter schwarzen Decken verbergen.«
    »Was sagt Ihr da?« Ich starrte ihn fassungslos an, mußte an den Marchese di Pescara und seine weißen Laken denken.
    Rodrigo de Quiroga ließ Alarm blasen, und im Nu waren die fünfzig Soldaten, die in diesen Tagen ihre Ausrüstung stets griffbereit hatten, in Rüstung und Helm und vollständig bewaffnet auf dem Platz versammelt. Monroy teilte die Kavallerie – wir hatten nur zweiunddreißig Pferde – in zwei Trupps auf, die unter seinem und Aguirres Kommando demFeind entgegengehen würden, ehe der in die Stadt eindrang. Villagra und Quiroga sollten mit den Arkebusieren und unseren verbliebenen Indios die Verteidigung im Innern übernehmen, der Kaplan und ich mit meinen Helferinnen für den Nachschub an Munition und Wasser sorgen und die Verwundeten verarzten. Auf meinen Vorschlag hin brachte Juan Gómez seine Frau zusammen mit unseren beiden besten Ammen und den kleinen Kindern der Kolonie in den Keller meines Hauses, der als kühler Ort für Lebensmittel und Wein vorgesehen war. Er drückte Cecilia die Statue unserer Señora del Socorro in die Hand, verabschiedete sich mit einem langen Kuß, segnete seinen Jungen, legte Bretter über den Stiegenschacht und schaufelte Erde darüber, um den Eingang zu verbergen. Ihm blieb keine Wahl: Wollte er sie schützen, mußte er sie lebendig begraben.
    Der Morgen des 11. September brach an. Keine Wolke stand am Himmel, und wäßrig blau zeichneten sich die Umrisse der Stadt im schüchternen Glanz der Frühlingssonne ab, als das monströse Gebrüll und Gekreisch losbrach, mit dem Scharen von Indios über uns kamen. Da begriffen wir, daß wir in eine Falle getappt waren: Diese Wilden waren viel gerissener, als wir vermutet hatten. Die fünfhundert Feinde, die sich angeblich zum Angriff auf Santiago sammelten, waren nur der Köder gewesen, um Valdivia und einen großen Teil unserer Streitmacht aus der Stadt zu locken, während Tausende und Abertausende in den Wäldern gelauert und sich im Dunkel der Nacht, unter schwarzen Decken getarnt, angeschlichen hatten.
    Sancho de la Hoz, der seit Monaten in seiner Zelle schmorte, begann zu rufen, man solle ihn herausholen und ihm eine Waffe geben. Monroy wußte, wir würden verzweifelt jeden Mann brauchen, selbst einen Verräter, und befahl, ihm die Ketten abzunehmen. Gott ist mein Zeuge, daß dieser höfische Laffe sich an diesem Tag so wütend schlug wie jeder andere unserer heldenhaften Hauptleute.
    »Was schätzt Ihr, Francisco, wie viele Indios sind das?« wollte Monroy von Aguirre wissen.
    »Nichts, wovor wir uns fürchten müßten, Alonso! Achttausend, vielleicht zehn …«
    Die beiden Reitertrupps preschten im Galopp den ersten

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