Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
abnahmen und auf die Beine halfen. Der Kaplan ging über den Platz, machte das Kreuzzeichen auf der Stirn der Toten und schloß ihnen die Augen, dann warf er sich einen nach dem anderen die Verwundeten über die Schulter und trug sie zur Krankenstation. Das edle Streitroß von Francisco de Aguirre hielt sich, tödlich verwundet, durch schiere Willenskraft auf den zittrigen Beinen, bis es mehreren Frauen gelang, den Reiter aus dem Sattel zu ziehen; da senkte das Pferd den Nacken und war tot, noch ehe sein Bauch den Boden berührte. Aguirre hatte etliche kleinere Schrammen und war so steif und verkrampft, daß man ihm weder die Rüstung noch die Waffen abnehmen konnte. Eine halbe Stunde saß er gegen eine Mauer gelehnt, bis er sich ein wenig rühren konnte. Dann sägte der Hufschmied seine Lanze an beiden Enden ab, damit er sie ihm aus der verkrampften Hand winden konnte, und zu mehreren schälten wir ihn mühsam aus der Rüstung, denn er war ein Koloß und noch immer starr wie eine Bronzestatue. Monroy undVillagra, in besserer Verfassung als die anderen Hauptleute und noch erhitzt von dem Gemetzel, kamen auf den aberwitzigen Gedanken, mit einigen Soldaten die Eingeborenen zu verfolgen, die in ihrer Flucht jede Kampfordnung aufgegeben hatten, aber sie fanden kein einziges Pferd, das noch einen Schritt hätte tun können, und keinen einzigen Mann, der unverletzt gewesen wäre.
Juan Gómez hatte, in Gedanken bei Cecilia und seinem Sohn, den ganzen Tag wie ein Löwe gekämpft, und kaum daß die Schlacht vorüber war, rannte er, die Höhle zu öffnen, in der sie begraben waren. Verzweifelt wühlte er das Erdreich mit den Händen zur Seite, jede Schaufel, jeden Spaten hatten die Angreifer mitgenommen. Er zerrte die Bretter vom Eingang, öffnete das Grab und stolperte hinab in die stockfinstre und stille Grube.
»Cecilia! Cecilia!« schrie er.
Und da antwortete ihm die helle Stimme seiner Frau vom anderen Ende des Gewölbes.
»Da bist du ja endlich, Juan, mir wurde schon langweilig.«
Die drei Frauen und die Kinder hatten über zwölf Stunden unter der Erde ausgeharrt, in völliger Dunkelheit, in der immer stickiger werdenden Luft, ohne Wasser und ohne zu wissen, was draußen vorging. Cecilia hatte dafür gesorgt, daß die Ammen sich die Säuglinge einen nach dem andern an die Brust legten, während sie selbst den ganzen Tag mit einer Axt in der Hand die Angreifer erwartete. Daß die Höhle sich nicht mit Rauch füllte, war der schützenden Hand unserer Señora del Socorro zu verdanken oder vielleicht auch den Schaufeln voll Erdreich, unter denen Juan Gómez den Eingang verborgen hatte.
Monroy und Villagra wollten noch am Abend einen Boten ausschicken, um Pedro de Valdivia Nachricht von dem Unglück zu geben, aber Cecilia, die so würdevoll und schön wie eh und je der Unterwelt entstiegen war, gab zubedenken, daß kein Bote eine solche Mission überleben würde, da es im Tal von feindlichen Indios nur so wimmelte. Wenig daran gewöhnt, einer weiblichen Stimme ihr Ohr zu leihen, gingen die Hauptleute über ihren Einwand hinweg.
»Ich möchte Euch ersuchen, meine Frau anzuhören«, meldete sich Juan Gómez. »Ihr Botennetz ist uns stets nützlich gewesen.«
»Was schlagt Ihr vor, Doña Cecilia?« fragte Rodrigo de Quiroga, der viel Blut verloren hatte und sich vor Erschöpfung kaum auf den Beinen hielt.
»Ein Mann kommt nicht durch die feindlichen Linien …«
»Sollen wir etwa eine Brieftaube schicken?« spottete Villagra.
»Frauen. Nicht nur eine, sondern etliche. Ich kenne viele Quechuafrauen im Tal, sie werden die Nachricht schneller als hundert fliegende Tauben von Mund zu Mund bis zum Gouverneur tragen.«
Da man sich nicht mit langen Debatten aufhalten wollte, wurde beschlossen, die Nachricht auf beiden Wegen zu senden, auf dem von Cecilia vorgeschlagenen und durch einen Yanacona, der flink war wie ein Hase und versuchen würde, das Tal in der Nacht zu durchqueren und Valdivia zu finden. Leider muß ich berichten, daß dieser treue Diener im Morgengrauen überrascht und durch einen Keulenhieb getötet wurde. Nicht auszudenken, was ihm widerfahren wäre, hätte Michimalonko ihn lebend in die Hände bekommen. Der Toqui mußte rasend sein vor Wut über den Mißerfolg seiner Streitmacht; wie sollte er den unbeugsamen Mapuche des Südens erklären, daß eine Handvoll Bärtiger Tausende seiner Krieger bezwungen hatte? Sollte er etwa anführen, eine Hexe habe die Köpfe der gefangenen Toquis durch die Luft
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