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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Gaete bei der einzigen Gelegenheit, zu der man ihrer ansichtig werden konnte, beim Verlassen der Messe. Marina war dreizehn Jahre alt, man kleidete sie noch in die steifen Reifröcke der kleinen Mädchen. Sie war in Begleitung ihrer Zofe und einer Sklavin, die ihr einen Sonnenschirm über den Kopf hielt, obwohl der Himmel bewölkt war. Kein Sonnenstrahl hatte je die durchscheinende Haut dieses blassen Kindes berührt. Sie besaß das Antlitz eines Engels, blondes, schimmerndes Haar, den zögernden Gang von einer, die zu schwer an den Unterröcken trägt, und sie strahlte solche Unschuld aus, daß Pedro auf der Stelle jeden Gedanken an die Ländereien der Familie vergaß. Kleinmütige Berechnungen waren seine Sache nicht; der Liebreiz und die holde Tugend dieses Mädchens eroberten sein Herz im Sturm. Obwohl sie nicht vermögend war und ihre Mitgift weit hinter ihren sonstigen Vorzügen zurückbleiben würde, hielt Pedro um ihre Hand an, sobald er sich versichert hatte, daß sie noch nicht versprochen war. Auch die Familie Ortiz de Gaete hätte sichfür ihre Tochter eine wirtschaftlich lohnendere Verbindung gewünscht, konnte indes einen Ritter von so ehrwürdigem Namen und bewiesenem Mut wie Pedro de Valdivia nicht abweisen und stellte als einzige Bedingung, daß mit der Trauung bis nach dem vierzehnten Geburtstag des Mädchens gewartet würde. Scheu wie eine Haselmaus ließ sich Marina derweil von ihrem Verehrer umwerben, schaffte es jedoch, ihn wissen zu lassen, daß auch sie die Tage bis zur Hochzeit zählte. Pedro strotzte vor Manneskraft, er war von aufrechtem Wuchs und edler, wohlgeformter Gestalt, mit breiter Brust, langer, gerader Nase, einem ausgeprägten Kinn und dem sehr eindringlichen Blick seiner blauen Augen. Schon damals trug er das Haar zurückgekämmt und im Nacken zu einem kurzen Zopf gefaßt, die Wangen rasiert, dazu einen gezwirbelten Schnurrbart und den schmalen Kinnbart, der bis an sein Lebensende sein Erkennungszeichen bleiben sollte. Er kleidete sich elegant, sein Auftreten war bestimmt, er sprach mit Bedacht und flößte Respekt ein, konnte jedoch auch charmant und sanft sein. Voll Staunen fragte sich Marina, weshalb ein so stolzer und vortrefflicher Mann sie erwählt hatte. Sie heirateten im Jahr darauf, als bei dem Mädchen die Blutung eingesetzt hatte, und richteten sich auf dem bescheidenen Gut der Valdivias ein.
    Marina trat mit den besten Absichten in den Stand der Ehe, aber sie war zu jung, und dieser ernste, der schweren Lektüre zuneigende Mann schüchterte sie ein. Sie hatten nichts, worüber sie reden konnten. Verzagt nahm sie die Bücher entgegen, die er für sie auswählte, und wagte nicht, ihm zu gestehen, daß sie kaum mehr als einige schlichte Sätze entziffern und mit krakeligen Buchstaben ihren Namen schreiben konnte. Sie hatte vor der Welt behütet gelebt und wünschte, das möge so bleiben; die langatmigen Ausführungen ihres Gatten über Politik und Geographie ängstigten sie. Beten und kostbare Meßgewänder besticken, mehr wollte sie nicht. Sie besaß keine Erfahrung darin,einen Haushalt zu führen, und die Dienstboten gehorchten ihr nicht, wenn sie ihnen mit Kinderstimme Anweisungen gab, also führte ihre Schwiegermutter weiter das Regiment, und sie wurde behandelt wie das Kind, das sie war. Sie nahm sich vor, die lästigen Aufgaben des Haushalts zu lernen, und holte sich Rat bei den älteren Frauen der Familie, aber da war niemand, mit dem sie über eine andere Frage des Ehelebens hätte reden können, die drängender war als die Sorge um die Mahlzeiten oder die Verwaltung der Ausgaben.
    Solange ihre Verbindung zu Pedro aus Besuchen im Beisein der Zofe und aus artigen Billetts bestanden hatte, war Marina glücklich gewesen, aber ihre Begeisterung verflog, als sie sich mit ihrem Gatten im Bett wiederfand. Kein Mensch hatte ihr gesagt, was in ihrer ersten Nacht als verheiratete Frau auf sie zukam, der Katzenjammer traf sie völlig unvorbereitet. In ihrer Aussteuer fanden sich mehrere knöchellange Nachthemden aus Batist, die am Hals und an den Handgelenken mit Schleifen aus Atlas geschlossen wurden und vorn einen Schlitz in Form eines Kreuzes besaßen. Zu fragen, wozu der gut sein sollte, war ihr nicht in den Sinn gekommen, und niemand hatte ihr erklärt, daß sie durch diese Öffnung Bekanntschaft mit den intimsten Teilen ihres Mannes machen würde. Sie hatte nie einen Mann nackt gesehen und meinte, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern beschränkten sich auf den

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