Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
und das fernste Reich der Neuen Welt erobern, und blutverschmiert und geborsten sollte die Waffe neben ihm in der Erde stecken, als er starb.
Der junge Pedro de Valdivia, der zwischen Büchern und behütet von seiner Mutter aufgewachsen war, zog freudig in den Krieg wie einer, der außer dem Schlachten der Schweine auf dem Marktplatz, für die das ganze Dorf zusammenlief, nie ein blutiges Spektakel gesehen hat. Seine Unschuld währte so lange wie die neue Standarte mit dem Wappen der Familie, die nach der ersten Schlacht in Fetzen hing.
In den spanischen Reihen ritt auch der verwegene Edelmann Francisco de Aguirre, der rasch zu Pedros bestem Freund wurde. Francisco war ein Polterer und Maulheld, Pedro dagegen von stillem Ernst, doch beide teilten sie den Ruf großer Tapferkeit. Die Familie Aguirre stammte ursprünglich aus dem Baskenland, hatte sich jedoch in Talavera de la Reina, nahe Toledo, niedergelassen. Von Beginn an zeigte sich der junge Francisco als Draufgänger, keine Gefahr schien ihm zu groß, denn er glaubte sich beschützt vom goldenen Kreuz seiner Mutter, das er um den Hals trug. Am selben Kettchen hing ein Medaillon mit der braunen Haarlocke eines schönen Mädchens, das er schon als Knabe geliebt hatte und das ihm ewig verwehrt sein würde, denn sie war seine Cousine ersten Grades. Da er sie nicht heiraten durfte, hatte er geschworen, keine zu heiraten, was ihn jedoch nicht davon abhielt, um die Gunst jedes weiblichen Wesens zu buhlen, das seinem feurigen Naturell zu nahe kam. Seinem hohen Wuchs und dem hübschen Gesicht, seinem offenen Lachen und der volltönenden Tenorstimme, die wie dazu gemacht war, Tavernen zu beleben und den Frauen den Kopf zu verdrehen, konnte keine widerstehen. Pedro warnte ihn, sich vorzusehen, schließlich kannte die Franzosenkrankheit weder mit Muselmanen noch mit Juden oder Christenmenschen ein Erbarmen, aber da sich das kleine Kreuz seiner Mutter im Kampf als unfehlbarer Schutz erwiesen hatte, vertraute Francisco darauf, daß es auch gegen die Folgen der Wollust wirksam wäre. In Gesellschaft umgänglich und charmant, gebärdete sich Aguirre inder Schlacht wie ein Berserker und war damit grundverschieden von Valdivia, der auch im Angesicht der größten Gefahren beherrscht und ritterlich blieb.
Die beiden jungen Männer waren des Lesens und Schreibens kundig, hatten bei Hauslehrern gelernt und waren gebildeter als die meisten Männer ihres Standes. Pedro hatte die sorgfältige Erziehung durch einen Priester genossen, einen Onkel seiner Mutter, in dessen Haus er als Jugendlicher gelebt hatte und von dem gemunkelt wurde, er sei in Wahrheit sein leiblicher Vater, wonach zu fragen Pedro jedoch nie gewagt hatte. Es wäre ein Affront gegen seine Mutter gewesen. Noch etwas hatten Aguirre und Valdivia gemeinsam, waren sie doch beide im Jahr 1500 geboren, im selben Jahr wie Karl V., König von Spanien und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, der in seiner Machtfülle über Spanien, Deutschland, Österreich, Flandern, die Neuen Indien, Teile Afrikas und mehr und mehr Weltgegenden gebot. Abergläubisch waren die beiden jungen Männer zwar nicht, aber sie fühlten sich mit Karl unter demselben Stern vereint und wähnten sich zu ähnlichen militärischen Ruhmestaten wie dieser berufen. Für sie konnte es im Leben kein löblicheres Unterfangen geben, als einem solch vortrefflichen König als Soldat zu dienen; sie bewunderten Karls titanische Gestalt, seinen unbezähmbaren Mut, sein reiterliches Geschick und seinen Umgang mit den Waffen, sein strategisches Talent im Krieg und sein gebildetes Auftreten in Friedenszeiten. Pedro und Francisco dankten dem Himmel, daß sie Katholiken waren und so der Rettung ihrer Seelen sicher sein durften, und obendrein Spanier, das heißt dem Rest der Sterblichen überlegen. Sie waren Ritter des großen und weiten Spanien, das über die Welt herrschte, mächtiger noch als einst das römische Imperium und von Gott dazu ausersehen, die fernsten Weltgegenden zu entdecken, zu erobern, zu bekehren und in neuen Städten zu besiedeln. Mit zwanzig Jahren brachen sieauf, um erst in Flandern und dann in Italien zu kämpfen, wo sie lernten, daß die Grausamkeit im Krieg eine Tugend ist und man seine Seele besser bereithalten sollte, da der Tod einen ständig begleitet.
Beide dienten als Offiziere unter dem Befehl eines außergewöhnlichen Feldherrn, des Marchese di Pescara, von dessen etwas weibischer Erscheinung sich wohl mancher täuschen
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