Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
waren und ihre Landsleute in arger Bedrängnis sahen. Schneller, als sich erzählen läßt, war die Schlacht vor dem Gebäude in vollem Gange. Eine halbe Stunde später gaben die Landsknechte Fersengeld, ließen etliche ihrer Kameraden in ihrem Blut liegen, und die Offiziere konnten die Klosterpforte von innen sichern. Die Mutter Oberin bat die beherzteren der Nonnen, sich um die Verwundeten zu kümmern, und wies alle an, dem Befehl von Francisco de Aguirre Folge zu leisten, der sich erboten hatte, die Umfriedungsmauern zu verstärken und die Verteidigung zu organisieren.
»Niemand ist sicher in Rom. Für den Moment sind die Söldner abgezogen, aber sie kommen gewiß zurück, und dann ist es besser, sie finden euch vorbereitet«, warnte Aguirre.
»Ich gehe und beschaffe euch einige Büchsen, Francisco kann euch zeigen, wie man sie benutzt«, entschied Valdivia, dem das spitzbübische Funkeln in den Augen seines Freundes nicht entging, der sich wohl bereits ausmalte, wie er mit rund zwanzig keuschen Novizinnen und einer Handvoll älterer, aber dankbarer und noch immer appetitlicher Nonnen allein bliebe.
Sechzig Tage später fand die entsetzliche Plünderung Roms schließlich ein Ende und mit ihr eine Epoche – die der päpstlichen Vorherrschaft in Italien –, doch in die Geschichte sollte sie eingehen als ewiger Schandfleck im Leben unseres Kaisers Karls V., auch wenn der fernab des Geschehens geweilt hatte.
Der Heilige Vater konnte seine Zuflucht auf der Engelsburg verlassen, wurde aber gefangengenommen und mißhandelt ohne Rücksicht auf seinen Rang, selbst den Fischerring riß man ihm vom Finger, und unter dem Gelächter der umstehenden Soldaten bekam er einen Tritt in den Hintern, der ihn längelang zu Boden warf.
Benvenuto Cellini war manche Charakterschwäche nachzusagen, doch war er keiner, der eine erwiesene Gunst zu vergelten vergaß, und als die Mutter Oberin bei ihm vorstellig wurde und berichtete, ein junger spanischer Offizier habe ihre Schwesternschaft vor dem Verderben bewahrt und über Wochen ihr Kloster verteidigt, wollte er ihn kennenlernen. Wenige Stunden später begleitete die Nonne Francisco de Aguirre in den Papstpalast. Cellini empfing ihn inmitten von Schutt und ausgeweideten Möbelstücken in einem der vatikanischen Säle. Die beiden Männer tauschten einige knappe Höflichkeitsfloskeln, dann kam Cellini, der kein Mann für Umschweife war, unverzüglich zur Sache:
»Sagt, was wünscht Ihr als Gegenleistung für Euer beherztes Eingreifen?«
Aguirre stieg die Zornesröte ins Gesicht, und unwillkürlich umfaßten seine Finger das Heft seines Degens.
»Ihr beleidigt mich!«
Die Mutter Oberin trat mit der ganzen Macht ihrer Autorität zwischen die beiden und gebot ihnen mit einer abfälligen Handbewegung Einhalt; sie hatte keine Zeit für Mannsgetue. Sie war eine Tochter der Familie des genuesischen Admirals Andrea Doria, eine Frau von Geblüt und Vermögen und daran gewöhnt, sich Gehör zu verschaffen.
»Schluß damit! Bitte, Don Francisco de Aguirre, Ihr solltet diese ungewollte Kränkung verzeihen. Wir haben schlimme Zeiten erlebt, viel Blut ist geflossen, entsetzliche Sünden wurden begangen, da mag es nicht verwundern, wenn das korrekte Benehmen ein wenig ins Hintertreffen gerät. Herr Cellini weiß, daß Ihr unser Kloster nicht in der Hoffnung auf eine Belohnung verteidigtet, sondern weil Ihr aufrechten Herzens seid. Euch zu beleidigen wäre das letzte, was er wünscht. Aber es wäre uns eine Ehre, würdet Ihr etwas zum Zeichen unserer Dankbarkeit und Hochachtung annehmen …«
Mit einem Kopfnicken gebot die Mutter Oberin dem Bildhauer, einen Moment zu warten, und zog Aguirre am Ärmel in die gegenüberliegende Ecke des Saals. Cellini hörte die beiden lange tuscheln. Als seine spärliche Geduld fast erschöpft war, traten sie erneut zu ihm, und die Mutter Oberin brachte die Bitte des jungen Offiziers vor, während der schwitzend auf seine Stiefelspitzen starrte.
Und so kam es, daß Benvenuto Cellini von Papst Clemens VII., ehe der in die Verbannung geschickt wurde, die Erlaubnis für Francisco de Aguirre erwirkte, seine Cousine zu ehelichen. Außer sich vor Freude, lief der junge Baske zu seinem Freund Pedro de Valdivia, um ihm zu berichten, was geschehen war. In seinen Augen schwammen Tränen, und seine sonst so mächtige Stimme bebte, er konnte das Wunder nicht glauben, das ihm zuteil geworden war.
»Ob das eine gute Neuigkeit ist, Francisco? Ich weiß nicht. Du sammelst
Weitere Kostenlose Bücher