Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Die Räume rochen nach Zimt und Schokolade, die Cecilia sich beschaffte, während wir anderen uns mit Matetee und heimischen Kräutern begnügten. Als Kind hatte sie sich am Hof Atahualpas so sehr an dieses Getränk gewöhnt, daß sie in den Hungerjahren nach der Zerstörung Santiagos nicht um ein Stück Brot weinte, sondern weil sie sich nach Schokolade sehnte. Bevor wir Spanier in die Neue Welt kamen, war Schokolade der Königsfamilie, den Priestern und ranghohen Feldherren vorbehalten gewesen, aber wir hatten sie rasch für uns entdeckt. Ich nahm mit Cecilia auf großen Sitzkissen Platz, und ihre stillen Dienerinnen brachten uns das duftende Getränk in hübschen Silberschalen, die in Peru gefertigt worden waren. Außer Haus kleidetesich Cecilia stets wie eine Spanierin, trug daheim jedoch die höfische Mode der Inkas, die bequemer war: ein gerader, knöchellanger Rock und ein bestickter Überwurf, der von einer Schärpe in schillernden Farben gehalten wurde. Sie war barfuß, und ich konnte nicht umhin, ihre makellosen Prinzessinnenfüße mit meinen zu vergleichen, den schweren Füßen einer Bäuerin. Ihr Haar trug sie offen und als einzigen Schmuck zwei schwere goldene Ohrringe, Familienerbstücke, die über dieselben rätselhaften Kanäle den Weg nach Chile gefunden hatten wie die Möbel.
»Wenn Pedro sich über deine Fältchen mokiert, dann liebt er dich nicht mehr, und nichts, was du tust, wird daran etwas ändern«, warnte sie mich, als ich ihr von meinen Nöten erzählte.
Ich weiß nicht, ob ihre Worte prophetisch waren oder ob sie, die auch die am besten gehüteten Geheimnisse kannte, bereits wußte, wovon ich nichts ahnte. Um mir eine Freude zu machen, schenkte sie mir etwas von ihren Cremes, Salben und Parfums, und ich benutzte diese Kostbarkeiten an jedem neuen Tag, an dem ich voller Ungeduld auf meinen Geliebten wartete. Doch es verging eine Woche, dann eine zweite und eine dritte, ohne daß Valdivia in Santiago erschien. Er blieb an Bord des Schiffs, das in der Bucht von Concón vor Anker lag, und führte seine Regierungsgeschäfte über Boten, aber nie brachte einer eine Nachricht für mich. Mir war unbegreiflich, was da vorging, die Ungewißheit machte mich krank, ich bebte vor Zorn und nährte meine Hoffnungen, quälte mich mit dem Gedanken, daß er mich nicht mehr liebte, und lauerte auf jedes noch so kleine Zeichen, daß alles wieder gut werden würde. Ich bat Catalina, mir die Zukunft zu weissagen, aber dieses eine Mal blieben ihre Muscheln stumm, oder vielleicht wagte sie auch nicht, mir zu sagen, was sie sah. Die Tage und Wochen vergingen ohne ein Wort von Pedro. Ich aß nicht mehr und schlief kaum. Tagsüber arbeitete ich bis zur Erschöpfung,und nachts lief ich wie ein wilder Stier durch die Arkadengänge im Hof und durch die Säle und schlug mit meinen rastlosen Hacken auf dem Steinboden Funken. Ich weinte nicht, denn was ich empfand, war eigentlich kein Kummer, sondern Wut, und ich betete nicht, weil mir schien, daß unsere Señora del Socorro meine Drangsal nicht würde begreifen können. Tausendmal war ich drauf und dran, Pedro auf dem Schiff aufzusuchen, um endlich zu erfahren, was er beabsichtigte – zwei Tagesritte, und ich wüßte Bescheid –, aber ich wagte es nicht, weil ich spürte, daß ich ihm unter diesen Umständen nicht die Stirn bieten konnte. Ich fühlte mein Unglück wohl voraus, doch verbot mir mein Stolz, es mir einzugestehen. Niemand sollte mich gedemütigt sehen, schon gar nicht Rodrigo de Quiroga, der mir zum Glück keine Fragen stellte.
Endlich klopfte an einem glutheißen Tag unser Gottesmann González de Marmolejo an meine Tür. Er wirkte abgekämpft, war in nur fünf Tagen an die Küste und zurück gereist und konnte sich kaum noch aufrecht halten nach dem Ritt. Rasch ließ ich eine Flasche von meinem besten Wein auftragen, und gleich bestürmte ich den Priester mit Fragen, weil er mir doch Nachricht von Pedro brachte. War er unterwegs zu mir? Rief er mich zu sich? Marmolejo ließ mich nicht weiterreden, drückte mir einen verschlossenen Brief in die Hand und ging mit hängendem Kopf hinaus in den Hof, um unter der Bougainvillea seinen Wein zu trinken, während ich las. In knappen und konzisen Worten teilte Pedro mir die Entscheidung von La Gasca mit, versicherte mir seinen Respekt und seine Bewunderung, ohne die Liebe zu erwähnen, und bat mich, González de Marmolejo anzuhören. Der Held der Feldzüge von Flandern und Italien, der Aufstände von Peru und der
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