Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Zuneigung zwischen dem Jungen und seinem Pferd nicht ohne Neid gesehen, aber da sich keiner besser um Sultán kümmerte als Felipe, hatte er ihn gewähren lassen. Felipes Geschick im Umgang mit Pferden war lang schon in aller Munde, und Valdivia hatte vorgehabt, ihn, sobald er alt genug dafür wäre, zum Stutmeister zu ernennen, eine Stellung, die in der Kolonie hoch angesehen war, weil die Aufzucht der Pferde unser Dasein sicherte.
Felipe hatte seinen edlen Freund durch einen Schnitt an der Halsschlagader getötet, um ihm Schmerzen zu ersparen, und den Kopf danach mit einer Machete abgeschlagen. Der Ausgangssperre zum Trotz hatte er den Kopf im Schutz der Dunkelheit auf der Plaza de Armas aufgespießt und sich dann aus der Stadt davongemacht. Seine Kleider und seine spärliche Habe waren, zu einem Bündel verschnürt, in dem blutverschmierten Stall gefunden worden. Nackt war er gegangen, mit nichts als dem Amulett, mit dem er vor Jahren zu uns gekommen war. Mir ist, als sähe ich ihn vor mir, wie er barfuß über die weiche Erde läuft, tief die lokkenden Düfte des Waldes atmet, Lorbeer, Quillaja, Rosmarin, wie er durch Tümpel und glasklare Bäche watet, eisige Flüsse durchschwimmt, über sich nichts als das weite Firmament – endlich frei. Aber wozu diese barbarische Tat andem Tier, das er liebte? Catalina, die ihn nie gemocht hatte, behielt recht mit ihrer sibyllinischen Erklärung: »Nun, siehst du denn nicht, Mamita, daß der Mapuche einfach zurückgeht zu den Seinen?«
Ich kann mir vorstellen, daß Pedro über das Geschehene außer sich geriet und schwor, seinen Lieblingsstallburschen aufs grausamste zu strafen, doch dann mußte er seine Rachegedanken zurückstellen, denn er hatte Wichtigeres zu tun. Zu guter Letzt war es ihm doch gelungen, ein Bündnis mit seinem Erzfeind, dem Kaziken Michimalonko, zu schmieden, und nun bereitete er einen Feldzug gegen die Mapuche des Südens vor. Der alte Kazike, an dem die Jahre spurlos vorübergegangen waren, hatte eingesehen, daß er sich mit den Huincas zusammentun mußte, da er außerstande gewesen war, sie zu besiegen. Durch Aguirres Strafexpedition war er fast ohne Verstärkung für seine Streitmacht; im Norden waren nur Frauen am Leben geblieben und Kinder, von denen die Hälfte Mischlinge waren. Vor die Wahl gestellt, zu sterben oder gegen die Mapuche des Südens zu kämpfen, mit denen er sich in jüngster Zeit entzweit hatte, weil er die Spanier nicht wie versprochen hatte vernichten können, entschied er sich für den Kampf, durch den er zumindest seine Würde bewahrte und seine Krieger nicht dazu hergeben mußte, für die Huincas Felder zu bestellen oder Gold zu waschen.
Mir aber wollte Felipe nicht aus dem Kopf gehen. Der Tod von Sultán schien mir ein Sinnbild: Mit den Hieben der Machete hatte der Junge den Gouverneur ermordet, danach gab es kein Zurück, er hatte für immer mit uns gebrochen und alles Wissen mitgenommen, das er in diesen Jahren durch kluge Verstellung erworben hatte. Ich mußte an den ersten Indioangriff auf die eben gegründete Stadt Santiago denken, an den September des Jahres 1541, und mir war, als läge darin der Schlüssel für die Rolle, die Felipe in unserem Leben gespielt hatte. Damals hatten sich dieIndios unter schwarzen Decken getarnt, um sich im Dunkel ungesehen der Stadt zu nähern, genau wie sich die Truppen des Marchese di Pescara in Europa mit weißen Laken im Schnee getarnt hatten. Mehr als einmal hatte Felipe die Geschichte von Pedro gehört, und er mußte sie den Toquis weitererzählt haben. Nicht von ungefähr war er so häufig verschwunden, dahinter steckte ein eiserner Wille, den man sich bei dem Kind, das er damals gewesen war, kaum vorstellen konnte. Er hatte die Stadt zum Jagen verlassen können, und die feindlichen Horden, die uns belagerten, hatten ihn nicht behelligt, weil er einer von ihnen war. Seine Jagdausflüge waren der Vorwand, um sich mit den Seinen zu treffen und ihnen von uns zu berichten. Er war es gewesen, der die Nachricht brachte, die Mannen des Michimalonko sammelten sich nahe Santiago, er, der dazu beitrug, daß die Falle vorbereitet wurde und Valdivia mit der Hälfte unserer Truppe die Stadt verließ, er, der die Indios hatte wissen lassen, wann der Moment für den Angriff gekommen war. Wo hatte er gesteckt, als Santiago gestürmt wurde? Im Durcheinander dieses schrecklichen Tages hatte niemand an ihn gedacht. Ob er sich verborgen gehalten oder unseren Feinden geholfen, womöglich die Brände
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