Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
nur an Brust und Kopf geschützt, gegen sie kann man Pfeile verwenden. Vorsicht! Auch diese Männer sind furchtlos. Die Pfeile müssen vergiftet sein, damit die Getroffenen nicht in die Schlacht zurückkehren. Die Pferde sind überlebenswichtig, wir müssen so viele wie möglich lebend fangen, vor allem Stuten für die Zucht. Kinder müssen zu den Lagern der Huincas geschickt werden und den Hunden, die nachts immer angekettet sind, vergiftetes Fleisch vorwerfen. Wir werden Fallen stellen. Wir graben tiefe Löcher, bedecken sie mit Ästen, und die Pferde, die hineinstürzen, werden von angespitzten Pfählen am Grund aufgespießt. Unser Vorteil ist, daß wir viele sind, daß wir schnell sind, daß wir den Wald kennen.« Und Lautaro fährt fort: »Die Huincas sind nicht unbesiegbar, sie schlafen mehr als die Mapuche, sie essen und trinken zuviel, und sie brauchen Träger, weil ihnen die Last ihrer Ausrüstung zu schwer ist. Wir werden ihnen keine Ruhe gönnen, werden wie Wespen und Stechmücken sein. Erst ermüden wir sie, dann töten wir sie. Die Huincas sind Menschenwesen, sie sterben wie die Mapuche, doch sie gebärden sich wie Dämonen. Im Norden haben sie ganze Stämme lebendig verbrannt. Sie wollen, daß wir ihren Gott anbeten, der an ein Kreuz genagelt ist, ein Gott des Todes, wollen, daß wir ihrem König dienen, der nicht hier lebt und den wir nicht kennen, wollen unser Land besitzen und uns zu Sklaven machen. Warum? Das frage ich die Menschen. Ohne Grund, Brüder. Die Freiheit gilt ihnen nichts. Von Stolz wissen sie nichts, siegehorchen, sie knien auf der Erde, sie senken den Kopf. Sie kennen weder Gerechtigkeit noch Ausgleich. Die Huincas sind wahnsinnig, aber sie sind böse in ihrem Wahn. Und ich sage euch, Brüder, wir werden niemals ihre Gefangenen sein, wir werden im Kampf sterben. Wir töten die Männer, aber ihre Kinder und Frauen fangen wir lebend. Die Frauen werden unsere Chiñuras sein, und wenn die Huincas wollen, können sie ihre Kinder gegen Pferde tauschen. Das ist gerecht. Wir werden lautlos sein und schnell, werden sein wie Fische, sie nie wissen lassen, daß wir nah sind; dann fallen wir über sie her und überraschen sie. Wir werden geduldige Jäger sein. Dieser Kampf wird ein langer Kampf. Die Menschen mögen sich bereit machen.«
Während der junge Feldherr Lautaro bei Tag die Kriegsstrategie vorbereitet und sich nachts zu einem heimlichen Stelldichein mit Guacolda im Dickicht verliert, wählen die Stämme ihre Führer für den Kampf, die den Regimentern vorstehen werden und ihrerseits dem Befehl des Toqui der Toquis folgen, dem Ñidoltoqui Lautaro. Die Abendsonne scheint warm über der Lichtung, doch sobald sie gesunken ist, wird es kalt werden. Die Turniere haben vor Wochen begonnen, viele Anwärter sind bereits gegeneinander angetreten und wurden einer nach dem anderen aus dem Feld geschlagen. Nur die stärksten und zähesten, deren Mut und Wille nicht wankt, dürfen auf den Titel eines Toquis für den Krieg hoffen.
Einer von ihnen springt in das Rund. »Inche Caupolicán!« ruft er. Bis auf einen kurzen Lendenschurz ist er nackt, aber um die Arme und den Kopf hat er die Bänder geschlungen, die seinen Rang anzeigen. Zwei kräftige junge Männer treten zu dem Stamm eines Raulíbaums, den sie vorbereitet haben, und wuchten ihn, jeder an einer Seite, in die Höhe. Sie zeigen ihn, damit die Umstehenden ihn bewundern und sein Gewicht schätzen können, dannlassen sie ihn vorsichtig auf die breiten Schultern von Caupolicán sinken. Der Mann geht in die Knie, knickt in der Hüfte ein, und für einen Moment sieht es aus, als würde er unter der Last zusammenbrechen, doch sofort strafft er sich wieder. Er spannt alle Muskeln, Schweißperlen glitzern auf seiner Haut, die Adern an seinem Hals treten hervor, als wollten sie bersten. Ein Raunen geht durch die Menge der Zuschauer, als Caupolicán sich langsam, in kleinen Schritten, vorwärts bewegt, sich nicht übereilt, damit seine Kräfte nicht vor der Zeit schwinden. Er muß gegen andere siegen, die ebenso stark sind wie er. Einzig seine wilde Entschlossenheit, eher im Wettkampf zu sterben, als den ersten Platz einem anderen zu überlassen, kann ihm helfen. Er will sein Volk in den Kampf führen, sein Name soll niemals vergessen sein, er will Söhne haben mit Fresia, dem Mädchen, das er erwählt hat, und sie sollen stolz auf ihre Abkunft sein. Er rückt den Stamm im Nacken zurecht, stützt ihn mit Armen und Schultern. Die schroffe Rinde reißt
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