Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
geschürt hatte – ich weiß es nicht. Über Jahre hatte Felipe alles gelernt, was es über Pferde zu wissen gab, hatte sie aufgezogen und zugeritten; wenn die Soldaten erzählten, hatte er aufmerksam zugehört und viel über Kriegsstrategien erfahren; er wußte die Klinge zu führen, konnte eine Arkebuse, ja selbst eine Kanone handhaben; er kannte unsere Stärken und unsere wunden Punkte. Wir hatten geglaubt, er bewundere Valdivia, seinen Taita, dem er beflissen gedient hatte wie kein zweiter, aber in Wahrheit hatte er ihn ausspioniert und tief in sich den Groll gegen diejenigen geschürt, die gekommen waren, ihm sein Land zu nehmen.
Viel später erfuhren wir, daß er der Sohn eines Toquis war, der jüngste Sproß eines alten Geschlechts vonStammesfürsten und nicht weniger stolz auf seine kriegerische Abkunft als Valdivia auf die seine. Schrecklich muß der Haß gewesen sein, der Felipes Herz verdunkelte. Und jetzt war dieser achtzehn Jahre alte Mapuche, der gestählt war und schlank wie eine Gerte, nackt und schnell unterwegs in die feuchten Wälder des Südens, wo ihn die Seinen erwarteten.
Sein wahrer Name war Lautaro, und er sollte der berühmteste Toqui werden, den Araukanien je sah, gefürchteter Dämon der Spanier, Heros der Mapuche, zuvörderst genannt in den Heldenliedern. Unter seinem Befehl ordneten sich die wirren indianischen Horden wie die besten Heere Europas zu Schwadronen von Infanterie und Reiterei. Um die Pferde zu Fall zu bringen, aber nicht zu töten, da sie für die Mapuche so bedeutend waren wie für uns, setzte er Wurfriemen ein, zwei Steine, die mit einem Seil verbunden waren, sich um die Beine des Tieres schlangen und es niederrissen oder sich um den Hals des Reiters festzogen und ihn aus dem Sattel holten. Er schickte seine Krieger aus, Pferde zu rauben, zog Fohlen groß und bildete sie aus; dasselbe tat er mit Hunden. Er machte aus seinen Männern die besten Reiter der Welt, wie er selbst einer war, so daß die Kavallerie der Mapuche kaum zu bezwingen war. Die schweren und unhandlichen Knüppel von einst ersetzte er durch kurze, präzise zu führende Stöcke. In jeder Schlacht nahm er die Waffen seiner Gegner an sich, setzte sie ein und stellte ähnliche her. Er richtete ein Meldesystem ein, durch das die Befehle der Toquis im Handumdrehen jeden Krieger erreichten, und zwang seine Kämpfer zu eiserner Disziplin, wie man sie zuvor allein an den spanischen Infanterieregimentern gerühmt hatte. Aus Frauen machte er grimmige Kriegerinnen, und Kinder ließ er Lebensmittel und Ausrüstung heranschaffen und Nachrichten überbringen. Er kannte das Gelände und bevorzugte den Wald, um seine Truppen zu verbergen, doch wenn es not tat, errichtete erPucaras an unzugänglichen Orten und rüstete dort für den Kampf, während seine Kundschafter ihm jede Bewegung des Feindes meldeten, damit er ihm zuvorkommen konnte. Allein von der Unsitte, sich nach jedem Sieg bis zur Besinnungslosigkeit mit Chicha und Muday zu betrinken, konnte er seine Krieger nicht abbringen. Wäre ihm das geglückt, die Mapuche hätten unser Heer im Süden vernichtet. Dreißig Jahre später beflügelt sein Geist noch immer den Mut seiner Streiter, und sein Name wird die Jahrhunderte überdauern, wir werden ihn niemals besiegen.
Wozu Lautaro fähig war, sollten wir wenig später erfahren, als Pedro de Valdivia nach Araukanien aufbrach, um neue Städte zu gründen und seinen Traum von der Ausdehnung seines Hoheitsgebiets bis an die Magellanstraße wahr werden zu lassen. »Wenn Francisco Pizarro Peru mit kaum hundert Soldaten eroberte, die sich gegen fünfunddreißigtausend Männer von Atahualpas Streitmacht schlugen, müßten wir uns schämen, sollten ein paar chilenische Wilde uns aufhalten«, erklärte er vor dem versammelten Rat.
Er nahm zweihundert vortrefflich ausgerüstete Soldaten mit, vier Hauptleute, darunter den tapferen Jerónimo de Alderete, dazu Hunderte Yanaconas, die das Gepäck schleppten, und obendrein wurde er von Michimalonko begleitet, der auf seinem geschenkten Streitroß an der Spitze seiner undisziplinierten, aber kampfesmutigen Horden ritt. Die Reiterei war in voller Rüstung, die Fußsoldaten trugen Brustschutz und Schild, und selbst die Yanaconas waren durch Helme vor den wuchtigen Knüppeln der Mapuche geschützt. Der martialische Anblick wurde nur ein wenig getrübt, weil man Valdivia wie eine Hofdame in einer Sänfte trug, denn die Schmerzen in seinem gebrochenen Bein, das noch nicht vollständig
Weitere Kostenlose Bücher