Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Feindes, denn wie sonst war dieser überstürzte Rückzug aus der kaum begonnenen Schlacht zu erklären. Valdivia tat, was ihm seine militärische Erfahrung gebot: Er befahl, den Feind zu verfolgen. So beschrieb er es dem König in einem seiner Briefe: »Und kaum waren die Berittenen ausgerückt, da kehrten uns die Indios den Rücken, und die drei anderen Regimenter taten ein Gleiches. Bis zu tausendfünfhundert oder zweitausend Indios wurden getötet, viele andere durch Lanzen verwundet, und wir nahmen etliche gefangen.«
Wer dabei war, versichert, das Wunder sei für alle sichtbar gewesen, eine engelsgleiche Gestalt sei hell wie ein Blitz auf das Schlachtfeld niedergefahren und habe den Morgen in überirdischen Glanz gebadet. Einige sagen, sie hätten den leibhaftigen Apostel Jakob erkannt, der auf einem weißenRoß den Wilden entgegentrat, ihnen eine Strafpredigt hielt und befahl, sich den Christen zu ergeben. Andere sahen die Gestalt unserer Señora del Socorro, eine wunderschöne Frau, die in Gewändern aus Gold und Silber hoch am Himmel schwebte. Die gefangenen Indios sprachen von Flammen, die einen weiten Bogen am Firmament beschrieben, donnernd zerschellten und am Himmel einen Schweif von Sternen hinterließen. In späteren Jahren haben die Gelehrten andere Erklärungen angeboten, sagen, es sei eine Feuerkugel gewesen, eine Art Felsbrocken, der sich aus der Sonne löste und auf die Erde fiel. Ich habe nie so einen himmlischen Felsbrocken gesehen, staune aber doch, daß sie die Gestalt des Apostels oder der Jungfrau haben sollen und daß dieser eine genau in dem Moment und an der Stelle niederging, wo die Spanier ihn brauchten. Wunder oder Feuerkugel, ich vermag es nicht zu sagen, aber fest steht, daß die entsetzten Indios ihr Heil in der Flucht suchten und den Christen das Feld überließen, die einen Sieg feierten, für den sie nichts konnten.
In den Berichten, die Santiago erreichten, war die Rede von etwa dreihundert Indios, die Valdivia gefangennehmen konnte – er selbst sprach in seinem Brief an den König nur von zweihundert –, und er ordnete an, sie zu strafen: Die rechte Hand wurde ihnen abgehackt und die Nase mit einem Messer abgeschnitten. Während einige Soldaten die Gefangenen zwangen, ihren Arm auf den Hackklotz zu legen, damit die schwarzen Henker die Axt darauf niedergehen lassen konnten, schleiften andere sie danach zu Kesseln mit siedendem Talg und tauchten die Armstümpfe hinein, damit die Opfer nicht verbluteten und die abschreckende Kunde zu ihren Stämmen tragen konnten. Wieder andere waren etwas abseits damit beschäftigt, die Gesichter der unglücklichen Mapuche zu verstümmeln. Körbe füllten sich mit abgeschnittenen Händen und Nasen, und die Erde war vollgesogen von Blut. In seinem Brief an den Königsagte Valdivia, nachdem er Gerechtigkeit habe walten lassen, habe er zu den versammelten Gefangenen gesprochen, da unter ihnen auch einige Kaziken und ranghohe Indios gewesen seien. Er erklärte ihnen, er habe »dies getan«, weil er sie viele Male zum Frieden ermahnt habe, sie jedoch nicht hätten hören wollen. Die Gemarterten mußten also zu allem Überfluß noch eine Standpauke auf spanisch über sich ergehen lassen. Diejenigen, die sich auf den Beinen halten konnten, verschwanden stolpernd im Wald, wo sie ihren Kameraden ihren Armstumpf zeigten. Vielen schwanden die Sinne, als man ihnen die Hand abhackte, doch gaben sie ihren Peinigern nicht die Genugtuung, sie um Gnade winseln oder vor Schmerz wimmern zu hören, und wenn sie wieder zu sich kamen, gingen auch sie voller Haß davon. Als die Henker vor Erschöpfung und Übelkeit die Äxte und Messer nicht mehr halten konnten, mußten Soldaten ihren Platz einnehmen. Die Körbe voller Hände und Nasen wurden in den Fluß geworfen und trieben in der blutigen Strömung hinaus aufs Meer.
Als ich erfuhr, was geschehen war, fragte ich Rodrigo, wozu dieses Gemetzel gut gewesen sein sollte, das nach meinem Dafürhalten nur schreckliche Folgen haben konnte, weil wir nach einer solchen Untat von den Mapuche kein Erbarmen, sondern die schlimmste Rache zu erwarten hätten. Rodrigo meinte, zuweilen seien solche Taten unvermeidlich, wollte man den Feind das Fürchten lehren.
»Hättest du es denn auch getan?« wollte ich wissen.
»Ich glaube nicht, Inés, aber ich war nicht dort und darf mir über die Entscheidungen des Generalhauptmanns kein Urteil anmaßen.«
»Ich habe mit Pedro im guten wie im schlechten zehn Jahre meines Lebens
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