Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
»Seit über dreißig Jahren diene ich seiner Majestät und habe viele Völker kämpfen gesehen, aber ein so eherner Wille ist mir nie zuvor untergekommen.«
»Was tun wir jetzt?«
»Wir gründen hier eine Stadt. Der Ort ist wie dafür geschaffen: eine gedeihliche Bucht, ein breiter Fluß, Holz, Fische.«
»Und ringsum Tausende Wilde.«
»Wir errichten zunächst ein Fort. Alle außer den Wachen und den Verwundeten sollen Bäume fällen, Unterkünfte bauen und sie durch eine anständige Palisade mit einem Graben sichern. Wir werden ja sehen, ob diese Barbaren es mit uns aufnehmen.«
Natürlich taten sie das. Die Spanier hatten die Palisade kaum fertiggestellt, da rückte Lautaro mit einem riesigen Heer an, das von den zu Tode erschrockenen Wachen auf hunderttausend Mann geschätzt wurde. »Es sind nicht halb so viele, und wir werden sie schlagen. Sankt Jakob ist mit uns, Spanien voran!« feuerte Valdivia seine Mannen an. Er war weniger von der Zahl, als von der Klugheit und dem Vorgehen seines Gegners beeindruckt. Die Mapuche marschierten in perfekter Schlachtordnung, aufgeteilt in vier Regimenter unter der Führung ihrer Toquis. Das grausige Kriegsgekreisch, mit dem sie ihren Feinden den Mut nahmen, wurde nun verstärkt vom Pfiff der Flöten, die aus den Knochen der zuvor gefallenen Spanier geschnitzt worden waren.
»Durch den Graben und über die Palisade kommen sie nicht. Die Arkebusiere werden sie aufhalten«, sagte Alderete.
»Wenn wir uns hier verschanzen, können sie uns belagern und aushungern«, wehrte Valdivia ab.
»Uns belagern? Das fällt ihnen bestimmt nicht ein, diese Taktik kennen die Wilden nicht.«
»Ich fürchte, sie haben viel von uns gelernt. Wir müssen einen Ausfall machen.«
»Das schaffen wir nicht, es sind zu viele.«
»Mit Gottes Hilfe schaffen wir es.«
Valdivia befahl Jerónimo de Alderete, dem einen Regiment der Mapuche, das sich trotz der ersten Salve, die viele niedergestreckt hatte, weiter mit festem Schritt den Toren näherte, mit fünfzig Reitern entgegenzutreten. Der Hauptmann und seine Soldaten schickten sich ohne Murren an, dem Befehl zu gehorchen, obwohl sie überzeugt waren, in den Tod zu gehen. Mit schwerem Herzen schloß Valdivia seinen Freund zum Abschied in die Arme. Die beiden kannten sich seit vielen Jahren und hatten ungezählte Gefahren miteinander bestanden.
Zweifellos gibt es Wunder. An diesem Tag geschah jedenfalls eines, soviel steht fest, und die Kinder und Kindeskinder der Spanier, die dabei waren, werden noch in Jahrhunderten davon sprechen, genau wie es die Mapuche gewiß über Generationen hinweg im Gedächtnis bewahren werden.
Jerónimo de Alderete setzte sich an die Spitze seiner fünfzig Reiter, und auf sein Zeichen hin wurde das Tor weit aufgestoßen. Das markerschütternde Gekreisch der Eingeborenen empfing die Reiter, die aus dem Fort galoppierten. Im Nu waren sie von einem Meer aus Kriegern umringt, und Alderete begriff, daß jeder Versuch, weiter vorzustoßen, ihr Ende bedeuten mußte. Er befahl seinen Mannen, sich neu zu formieren, aber die von Lautaro ersonnenen Wurfriemen schlangen sich um die Beine der Pferde und nahmen den Reitern jede Möglichkeit zur Wende. Von der Palisade feuerten die Arkebusiere eine zweite Salve, die den Sturm der Angreifer nicht zu hemmen vermochte. Valdiviaschickte sich an, der Kavallerie zu Hilfe zu eilen, auch wenn er das Fort damit den anderen drei feindlichen Regimentern, die es umringten, preisgeben mußte, aber er konnte nicht tatenlos zusehen, wie fünfzig Mann seiner Reiterei auf einen Schlag niedergemacht würden. Zum erstenmal in seiner militärischen Laufbahn fürchtete er, einen nicht wiedergutzumachenden taktischen Fehler begangen zu haben. Der Held von Peru, der wenige Jahre zuvor mit einer strategischen Meisterleistung das Heer des Gonzalo Pizarro besiegt hatte, war ratlos angesichts dieser Wilden. Das Geschrei war ohrenbetäubend, die Befehle gingen darin unter, und in dem Durcheinander wurde ein spanischer Reiter von einer verirrten Kugel aus einer Arkebuse getötet. Da plötzlich, als die Mapuche des ersten Regiments die Reiterschwadron schon fast aufgerieben hatten, stoben sie in wilder Flucht auseinander, und fast sofort taten die anderen drei Regimenter es ihnen gleich. Das Schlachtfeld war im Handumdrehen leer, und die Angreifer flohen wie Hasen in die umliegenden Wälder.
In ihrer Überraschung begriffen die Spanier erst nicht, was vorging, und fürchteten eine neue Kriegslist des
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