Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
vermute, in unseren Adern fließt nicht wenig sarazenisches Blut. Ohne das Nonnengewand glich Constanza einer Odaliske, als wäre sie einer osmanischen Tapisserie entsprungen.
Es kam der Tag, als allen der Magen knurrte. Da entsann ich mich der Empanadas und überredete den Schiffskoch, einen Schwarzen aus Nordafrika, dessen Gesicht mit Narben verziert war, daß er mir Mehl abtrat, Fett und etwas Trockenfleisch, das ich vor dem Kochen in Meerwasser einweichte. Aus meinen eigenen Vorräten steuerte ich Oliven bei, dazu Rosinen und einige gekochte Eier, die ich sehr fein hackte, damit sie einen kleinen Haufen ergaben, und mischte Kreuzkümmel darunter, ein billiges Gewürz, das dem Gekochten eine eigene Note verleiht. Ich hätte viel für ein paar Zwiebeln gegeben, von denen, die in Plasencia immer überreichlich vorhanden gewesen waren, aber im Lagerraum fand sich keine einzige mehr. Ich kochte die Füllung, walkte den Teig und buk die Empanadas in der Pfanne, weil es keinen Ofen gab. Die Mannschaft war so begeistert davon, daß alle von nun an etwas von ihrem Proviant für die Füllung beitrugen. Ich buk Empanadas mit Linsen, mit Kichererbsen, Fisch, Hühnerfleisch, Hartwurst, Käse, Tintenfisch und Haifischfleisch und gewann mir das Ansehen vonMannschaft und Passagieren. Ihre Hochachtung gewann ich nach einem Sturm, als ich die Verletzten versorgte und die gebrochenen Knochen von zwei Matrosen richtete, wie ich es im Hospital von Plasencia von den Nonnen gelernt hatte. Der Sturm war der einzige ernsthafte Zwischenfall auf unserer Reise, sieht man davon ab, daß wir nur knapp einem französischen Kaperschiff entgingen, das Jagd auf spanische Schiffe machte. Hätte es uns eingeholt, uns wäre ein übles Ende sicher gewesen, wie Kapitän Manuel Martín sagte, denn die Kaperfahrer waren gut bewaffnet. Als uns klar wurde, in welcher Gefahr wir schwebten, fielen meine Nichte und ich vor der Statue unserer Señora del Socorro auf die Knie und flehten sie an, uns zu retten, und sie wirkte ein Wunder und schickte einen so dichten Nebel, daß die Franzosen uns aus dem Blick verloren. Daniel Belalcázar behauptete später, die Nebelbank sei schon dagewesen, ehe wir zu beten begannen; der Steuermann habe nur Kurs auf sie halten müssen.
Dieser Belalcázar war ein Mann von schwachem Glauben, aber er konnte sehr geistreich sein. Abends unterhielt er uns mit Geschichten von seinen Reisen und davon, was wir in der Neuen Welt zu sehen bekämen. »Keine Zyklopen, Riesen, Menschen mit vier Armen und Hundeköpfen, aber gewiß werdet Ihr rohen und bösartigen Gestalten begegnen, vor allem unter den Spaniern«, spottete er. Er behauptete, die Bewohner der Neuen Welt seien nicht allesamt Wilde; Azteken, Mayas und Inkas seien gesitteter als wir, zumindest würden sie sich waschen und wären nicht von Kopf bis Fuß verlaust.
»Gier, nichts als Gier«, sagte er. »Mit dem Tag, als wir Spanier die Neue Welt betraten, war es um die Sitten dieser Völker geschehen. Erst nahmen sie uns freundlich auf. Ihre Neugier siegte über die Vorsicht. Als sie sahen, daß diesen bärtigen Fremden, die aus dem Meer gekommen waren, das Gold gefiel, dieses weiche, nutzlose Metall, gaben sie es mitvollen Händen her. Aber bald kränkte sie unsere Unersättlichkeit und unsere grausame Überhebung. Wie denn auch nicht! Unsere Soldaten schänden ihre Frauen, brechen in ihre Häuser ein, nehmen sich ungefragt, was ihnen beliebt, und wer es wagt, ihnen in den Weg zu treten, wird von einer Klinge durchbohrt. Wir behaupten, das Land, das wir eben erst betreten haben, gehöre einem Monarchen, der jenseits des Meeres lebt, und erwarten von den Eingeborenen, daß sie zwei gekreuzte Hölzer anbeten.«
»Daß das nur ja niemand hört, Herr Belalcázar! Man würde Euch des Verrats am König und der Ketzerei bezichtigen«, mahnte ich ihn.
»Ich sage nur, wie es ist. Ihr werdet es selbst sehen, die Konquistadoren kennen keine Scham: Sie kommen an wie Bettler, führen sich auf wie Diebe und halten sich für hohe Herren.«
Diese drei Monate der Überfahrt waren lang wie drei Jahre, doch gaben sie mir einen Vorgeschmack auf die Freiheit. Keine Verwandten – die schüchterne Constanza zählte nicht –, keine Nachbarn oder Priester, die mich überwacht hätten; ich war niemandem Rechenschaft schuldig. Ich entledigte mich der schwarzen Witwenkleider und des Leibchens, das mein Fleisch einschnürte. Daniel Belalcázar wiederum überredete Constanza, ihr Nonnengewand
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