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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Gregorio befahl, ihn an einen Baum zu binden, bis ihm der Rausch vergangen und er wieder bei Sinnen wäre, und dort brüllte er dann stundenlang Flüche und Verwünschungen, bis er endlich, im Morgengrauen, in sich zusammensackte und uns schlafen ließ.
    Mit frischem Wasser, tropischen Früchten und Pökelfleisch an Bord lichtete das Schiff von Kapitän Manuel Martín einige Tage später den Anker für die Fahrt in den Hafen von Cartagena, der schon damals sehr bedeutend war, weil über ihn die Schätze der Neuen Welt nach Spanien verschifft wurden. Die Wasser der karibischen See waren türkisblau und rein wie in den Springbrunnen eines maurischen Palasts. Die Luft roch betörend nach einer Mischung aus Blüten, Früchten und Schweiß. Die Stadtmauer von Cartagena, erbaut aus dicken Quadern, die mit einem Mörtel aus Kalk und Stierblut verbunden waren, gleißte in der erbarmungslosen Sonne. Hunderte fast nackter und in Ketten geschlagener Indios schleppten unter denPeitschenhieben der Aufseher große Steinblöcke herbei für die Festung, die alles von einem Hügel aus überblickte und mit den bereits aufgestellten Kanonen auf die Bucht zielte. Zusammen mit der Stadtmauer sollte sie die spanische Flotte vor Piraten und anderen Feinden des Königreichs schützen. In der Bucht lagen etliche Schiffe vor Anker, Kauffahrer, Kriegsschiffe und auch ein Sklavenschiff, das Nachschub aus Afrika für den hiesigen Negermarkt brachte. Sein Gestank nach Schlechtigkeit und menschlichem Elend war nicht zu verkennen. Verglichen mit jeder der alten Städte Spaniens war Cartagena noch immer ein Dorf, doch es gab eine Kirche, umsichtig angelegte Straßen, geweißte Häuser, wuchtige Regierungsgebäude, Lagerschuppen, einen Markt und Tavernen. Die Bevölkerung war bunt gemischt, und die Frauen in ihren verwegen ausgeschnittenen Kleidern gefielen mir, vor allem die Mulattinnen. Ich beschloß, fürs erste zu bleiben, weil sich rasch herausstellte, daß mein Mann vor kaum mehr als einem Jahr hier gewesen war. In einem Laden hatte er ein Bündel mit Kleidern als Pfand gelassen und versprochen, es bei seiner Rückkehr gegen das Geld, das er schuldete, einzulösen.
    Im einzigen Gasthaus der Stadt gaben sie allein reisenden Frauen kein Bett, aber Kapitän Manuel Martín, der viele Leute in Cartagena kannte, verschaffte uns eine Bleibe zur Miete. Es war ein recht großes, aber fast leeres Zimmer mit einer Tür zur Straße und einem schmalen Fenster, nur ausgestattet mit einer Pritsche, einem Tisch und einem Schemel. Meine Nichte und ich schafften unsere Siebensachen hinein, und ich ging unverzüglich zu den Nachbarn und in die Läden, um meine Dienste als Näherin anzubieten und nach einem öffentlichen Ofen zu fragen, in dem ich Empanadas backen konnte, denn meine Ersparnisse schmolzen schneller als erwartet.
    Kaum hatten wir uns eingerichtet, stattete Daniel Belalcázar uns einen Besuch ab. In dem Zimmer stapelten sichnoch überall Gepäckstücke, deshalb mußte er, den Hut in der Hand, auf dem Bett Platz nehmen. Wir konnten ihm nichts als Wasser anbieten, und durstig trank er zwei Gläser; er schwitzte. Eine Weile saß er schweigend da und betrachtete übertrieben aufmerksam den gestampften Lehmboden, während wir warteten und uns genauso unbehaglich fühlten wie er.
    »Doña Inés, ich bin gekommen, Euch demütigst um die Hand Eurer Nichte zu bitten«, brachte er schließlich heraus.
    Mir wurde schwindlig vor Schreck. Nie hatte ich zwischen den beiden etwas gesehen, das auf eine Romanze hätte schließen lassen, und einen Moment dachte ich, Belalcázar sei wegen der Hitze nicht bei Trost, aber der törichte Ausdruck auf Constanzas Gesicht zwang mich zum Nachdenken.
    »Das Kind ist erst fünfzehn!« rief ich entgeistert.
    »Hier heiraten die Mädchen sehr jung.«
    »Constanza hat keine Mitgift.«
    »Das spielt keine Rolle. Ich habe diese Sitte nie gutgeheißen, und selbst wenn Constanza die Mitgift einer Königin hätte, würde ich sie nicht annehmen.«
    »Meine Nichte will Nonne werden!«
    »Das wollte sie, aber das ist vorbei«, flüsterte Belalcázar, und Constanza stimmte ihm deutlich und unüberhörbar zu.
    Ich wies die beiden darauf hin, daß ich nicht befugt war, Constanza die Ehe zu gestatten, und schon gar nicht die mit einem unbekannten Abenteurer, der keine Bleibe hatte, von früh bis spät Unsinnigkeiten in Hefte schrieb und obendrein doppelt so alt war wie sie. Wie wollte er sie denn ernähren? Sollte sie ihm etwa zum Orinoko

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