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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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abzulegen und meine Röcke zu tragen.
    Die Tage wollten kein Ende nehmen, von den Nächten zu schweigen. Der Schmutz, die Beengtheit, das spärliche und kaum genießbare Essen, der Mißmut der Männer, das alles machte diese Fahrt zu einem Besuch in der Hölle, aber wenigstens blieben wir von Seeschlangen verschont, die das Schiff hätten verschlingen können, von Monstren und Tritonen, von Sirenen, die den Matrosen die Sinne rauben, von den unerlösten Seelen Ertrunkener, von Geisterschiffen und Irrlichtern. Die Mannschaft hatte von diesen und mehr Fährnissen gesprochen, die auf dem Meer lauern,aber Belalcázar versicherte, ihm sei derartiges niemals begegnet.
    An einem Samstag im August kam Land in Sicht. Das Wasser unter uns, noch eben dunkel und tief, schimmerte himmelblau und klar. Im Boot wurden wir an einen Strand mit geriffeltem Sand gerudert, über den sanfte Wellen leckten. Die Matrosen erboten sich, uns ans Ufer zu tragen, aber Constanza und ich rafften unsere Röcke und wateten durchs Wasser; lieber zeigten wir unsere Waden, als wie Mehlsäcke über den Schultern der Männer zu hängen. Ich hätte nie gedacht, daß das Meer lau sein würde; es hatte vom Schiff aus bitterkalt gewirkt.
    Das Dorf bestand aus einigen Röhrichthütten, die mit Palmwedeln gedeckt waren, die einzige Straße war ein Schlammbett und eine Kirche nicht vorhanden; ein Holzkreuz auf einer Klippe bezeichnete das Haus des Herrn. Die wenigen Einwohner dieses entlegenen Fleckens waren Matrosen auf der Durchreise, Schwarze und Dunkelhäutige, und außerdem Indios, die ersten, die ich sah, bedauernswerte, elende Geschöpfe, die fast nackt waren. Üppiges, brütend heißes Grün umfing uns. Die Feuchtigkeit durchtränkte einem selbst die Gedanken, und erbarmungslos brannte die Sonne auf uns herab. Unsere Kleider wurden uns zur Qual, wir entledigten uns der Kragen, der Manschetten, der Schuhe und Strümpfe.
    Ich hatte schnell herausgefunden, daß Juan de Málaga nicht hier war. Der einzige, der sich seiner entsann, war Pater Gregorio, ein glückloser Dominikanerbruder, den das Tropenfieber vor der Zeit zum Greis gemacht hatte, denn mit seinen knapp vierzig Jahren sah er aus wie siebzig. Seit zwei Jahrzehnten folgte er seiner Mission, das Wort Gottes in der Wildnis der Neuen Indien zu lehren und zu verbreiten, und auf seinen Reisen war er meinem Mann zweimal begegnet. Er bestätigte mir, daß Juan, wieso viele Spanier, dem Trugbild der sagenhaften Goldstadt nachjagte.
    »Groß, hübsch, den Wetten und dem Wein zugetan. Ein netter Kerl«, sagte er.
    Das mußte er sein.
    »Diese Stadt aus Gold haben die Indios erfunden, um die Fremden loszuwerden, die auf der Suche danach ihr Leben aushauchen«, meinte der Dominikaner.
    Pater Gregorio überließ Constanza und mir seine Hütte, damit wir uns ausruhen konnten, während die Matrosen sich draußen mit einem starken Palmschnaps betranken und die sich sträubenden Indiofrauen ins Dickicht zerrten, von dem das Dorf umgeben war. Obwohl Haie unserem Schiff über Tage gefolgt waren, stieg Daniel Belalcázar in die kristallklaren Wellen und weichte sich stundenlang darin ein. Als er sein Hemd auszog, sahen wir, daß sein Rücken mit vernarbten Peitschenstriemen überzogen war, aber er sagte nichts dazu, und wir wagten nicht, ihn danach zu fragen. Schon auf der Fahrt hatten wir bemerkt, daß dieser Mann die Eigenart besaß, sich zu waschen, und er kannte offenbar Völker, bei denen das üblich war. Er ermutigte Constanza, sich, wenigstens bekleidet, zu ihm ins Meer zu gesellen, aber ich erlaubte es nicht; ich hatte ihren Eltern versprochen, sie wohlbehalten zurückzuschicken und nicht angenagt von einem Haifisch.
    Als die Sonne unterging, entfachten die Indios Feuer und legten frische Zweige darauf, um die Mücken zu vertreiben, die über das Dorf herfielen. Der Qualm machte uns blind und nahm uns den Atem, war der reinen Luft aber allemal vorzuziehen, denn kaum trat man ein paar Schritte vom Feuer weg, machte sich eine Wolke aus Ungeziefer über einen her. Zum Abendessen gab es Tapirfleisch – das ist ein schweineähnliches Tier – und dazu eine weiche Masse, die Maniok genannt wurde; es schmeckte eigenartig, aber nach drei Monaten Fisch und Empanadas kam es uns vorwie ein fürstliches Mahl. Ich kostete auch zum erstenmal ein schaumiges Kakaogetränk, das trotz der Gewürze, mit denen es bereitet war, leicht bitter schmeckte. Pater Gregorio erzählte, daß die Azteken und andere Indiovölker die Samen

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