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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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des Kakaostrauchs als Geld benutzten, so kostbar waren sie für sie.
    Den ganzen Abend lauschten wir den abenteuerlichen Erzählungen des Gottesmanns, der mehr als einmal in die Wälder vorgedrungen war, um Seelen zu bekehren. Er gestand, als junger Mann sei auch er dem verheerenden Traum von El Dorado aufgesessen. Er war dem Orinoko stromaufwärts gefolgt, stellenweise war der Fluß friedlich gewesen wie ein Teich, dann aber wieder tosend und zornig. Er beschrieb uns gewaltige Wasserfälle, die in den Wolken entspringen und in Regenbögen aus Gischt bersten, grüne Tunnel im Wald, das ewige Dämmerlicht unter dem Blätterdach, durch das kaum je ein Sonnenstrahl fällt. Fleischfressende Pflanzen gebe es dort, die einen Geruch nach Aas verströmten, und andere, die lieblich seien und duftend, aber giftig; auch von prächtig gefiederten Vögeln erzählte er und von Völkerscharen menschengesichtiger Affen, die im Schutz des Dickichts die Eindringlinge argwöhnisch beäugten.
    »Für uns aus der Extremadura, die so karg ist und trokken, nichts als Steine und Staub, ist ein solches Paradies unvorstellbar«, sagte ich.
    »Es sieht nur aus wie ein Paradies, Doña Inés. In diesen heißen, sumpfigen und gefräßigen Landstrichen, in denen es vor Giftschlangen und Ungeziefer wimmelt, ist alles der raschen Fäulnis unterworfen, vor allem die Seele. Diese Wildnis macht Menschen zu Schuften und Mördern.«
    »Wer dort nur aus Habgier eindringt, ist schon ein Schuft, Pater. Die Wildnis fördert nur zutage, was bereits vorhanden ist«, bemerkte Daniel Belalcázar, der kurz von seinem Heft aufgeblickt hatte, in das er fieberhaft notierte, was derPater sagte, weil auch er vorhatte, dem Lauf des Orinoko zu folgen.
    Diese erste Nacht verbrachten Kapitän Manuel Martín und einige Matrosen nicht an Land. Sie kehrten zum Schiff zurück, um die Ladung zu bewachen, jedenfalls behaupteten sie das, aber vielleicht waren ihnen auch die Schlangen und das Gewürm des Waldes nicht geheuer. Wir anderen hatten genug von der kerkerähnlichen Enge der Kajüten und zogen einen Schlafplatz im Dorf vor. Man hatte Constanza und mir eine Hängematte zugewiesen, und meine erschöpfte Nichte war sofort eingeschlafen, während ich mich unter dem schmutzigen Stoffetzen, der uns vor den Mücken schützen sollte, auf einige schlaflose Stunden einstellte. Die Nacht war hier tiefschwarz, lärmend, schwer von Gerüchen, durchhuscht von unbekannten Schattenwesen – zum Fürchten. Mir war, als näherten sich von überall her die Geschöpfe, von denen Pater Gregorio gesprochen hatte: riesige Insekten, Giftschlangen, die aus der Ferne töten, nie zuvor gesehene Raubtiere. Doch mehr noch als diese natürlichen Schrecken beunruhigte mich die Ruchlosigkeit der berauschten Männer. Ich tat kein Auge zu.
    Zwei oder drei lange Stunden vergingen, und als ich endlich einzunicken begann, hörte ich etwas oder jemanden um die Hütte streifen. Erst dachte ich an ein Tier, aber dann fiel mir ein, daß Sebastián Romero an Land geblieben war, und vor dem mußte man sich hüten, vor allem, wenn Kapitän Manuel Martín nicht in der Nähe war. Ich hatte mich nicht getäuscht. Hätte ich geschlafen, Romero hätte womöglich erreicht, was er wollte, doch so war es sein Pech, daß ich ihn mit meinem maurischen Dolch erwartete, einer kleinen und nadelscharfen Waffe, die ich noch in Cádiz gekauft hatte. Durch das offene Türloch fiel nur der matte Schein der fast erloschenen Glut, über der man den Tapir gegrillt hatte, aber meine Augen hatten sich an das Zwielicht im Innernder Hütte gewöhnt. Auf allen vieren, die Nase vorgereckt wie ein Hund, huschte Romero über die Schwelle und auf die Hängematte zu, in der ich mit Constanza hätte liegen sollen. Er schaffte es noch, die Hand auszustrecken, um das Mückentuch zur Seite zu schieben, erstarrte indes in der Bewegung, als er die Spitze meines Dolchs knapp hinter seinem Ohr am Hals spürte.
    »Hast du es noch nicht begriffen, du Strolch«, sagte ich mit gedämpfter Stimme, um niemanden zu wecken.
    »Der Teufel soll dich holen, Dirne! Drei Monate treibst du dein Spiel mit mir, und jetzt tust du, als wolltest du nicht dasselbe wie ich«, knurrte er böse.
    Erschrocken fuhr Constanza aus dem Schlaf, und auf ihr Geschrei hin liefen Pater Gregorio, Daniel Belalcázar und andere herbei, die in der Nähe geschlafen hatten. Jemand entzündete eine Fackel, und mit vereinten Kräften schleiften sie den Mann aus unserer Behausung. Pater

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